21. März 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Brutal euphorisch

INSPIRATION: Selbstorganisation ist kein Hexenwerk, aber sie muss offenbar gelernt sein. Mal eben Hierarchie-Ebenen abbauen und loslegen scheint nicht wirklich zu funktionieren. Es gibt einige grundlegende Dinge, die Mitarbeiter lernen müssen. Was bei näherem Hinsehen nicht wirklich überrascht.

Ein schwäbischer Maschinenbauer namens Heermann Maschinenbau GmbH hat es vorgemacht. Komplett auf agile Methoden umgestellt, die Führungsebenen abgeschafft, die Teams einen Teamsprecher wählen lassen und losgelegt. Hat geklappt. So einfach?


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Zunächst ja. Weil man den plötzlich positionslosen Führungskräften neue Aufgaben gegeben hat, die ihren Stärken entgegenkamen. Die Teams sind losgerannt, die Rede ist von einer „brutal euphorischen Phase“ („Die Handschellen waren weg“). Doch dann stockte der Prozess. Die Koordinationsaufgaben, die übergreifenden Absprachen, die bis dahin von den Führungskräften übernommen worden waren, waren zu viel für die Teams.

Euphorisch – und dann?

Die Gegenmaßnahmen sind interessant: Die Mitarbeiter mussten lernen, wie man miteinander kommuniziert. Wie man zum Beispiel Feedback gibt, Dinge anspricht, die nicht funktionieren. Und sie mussten das strukturierte Arbeiten lernen.

Ich drehe das mal um: Hierarchische Organisationen funktionieren auch ohne dass man bestimmte Formen der Kommunikation und Arbeitsorganisation beherrscht. Warum? Weil hierfür die Chefs zuständig sind. Wenn jemand nicht spurt, greift der Vorgesetzte ein, das wird sogar erwartet. Nehmen wir an, der Kollege kommt regelmäßig zu spät – wer ist für die Kritik in klassischen Organisationen verantwortlich? Soll doch der Chef machen, schließlich wird er dafür bezahlt. Die Kunden und Lieferanten agieren nicht wie abgesprochen? Da muss auch der Vorgesetzte ran.

Nun muss man all das plötzlich selbst machen. Beziehungsweise so organisieren, dass es diejenigen machen, die es am besten können und auch wollen. Kein Wunder, dass das nicht von heute auf morgen klappt. So seltsam es dann allen Beteiligten vorkommen mag: Es müssen Kommunikationstrainings her: „Wir haben dann relativ zügig nach der Umstellung Kommunikationstrainings für das gesamte Unternehmen angehängt.“

Bekannt von Gruppenarbeit

Aber das reicht noch nicht. Die erwähnte Struktur muss her. Und die notwendigen Informationen, die Teams benötigen, um Entscheidungen treffen zu können. In der Hierarchie liegt beides in den Händen der Führungskräfte. Also muss Transparenz über die Zahlen und die Abläufe geschaffen werden. „Wir haben ihnen daher beispielsweise Begriffe wie Ertrag, Umsatz etc. erklärt …“.

Und schließlich das Thema Personalauswahl. Wer ist dafür in der klassischen Organisation zuständig? Der Personalbereich, wobei die Entscheidung dann vom Leiter der jeweiligen Organisationseinheit getroffen wird. Nicht so in agilen Strukturen. Der Geschäftsführer von Heermann nennt es einen Fehler, diese Entscheidungen selbst getroffen zu haben, heute wird das von den Teams selbst übernommen.

Ein Satz, der nachdenklich macht: „Es ist ein Trugschluss zu denken, dass die agilen Methoden und die Möglichkeit zur Verantwortungsübernahme besser zu den jungen Mitarbeitern passen.“ Aber irgendwie auch tröstlich für uns ältere Generation. Dass nur 30% der Kandidaten zum Unternehmen passen, finde ich jetzt nicht sonderlich bemerkenswert – die Quote dürfte auch in anderen Unternehmen kaum anders sein.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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