5. Dezember 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Unternehmerische Arbeitsethik

INSPIRATION: Es gab Zeiten, da lautete die Parole: Sei fleißig, arbeite hart, erfülle deine Pflichten und du wirst die Früchte ernten. Um das Geschäft kümmert sich das Unternehmen, da musst du dir keine Sorgen machen. Diese „Fleiß-Ethik“, so sagt der Historiker Erik Baker (Wie Zuckerbrot und Peitsche), gilt schon länger nicht mehr.

Nun haben wir die „unternehmerische Arbeitsethik“. Die sagt uns: Sei dein eigener Herr, sei unabhängig, kreativ, folge deiner Berufung, sei deines Glückes Schmied und werde ein erfolgreicher Unternehmer. Wenn es denn so einfach wäre.


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Das ist ja auch extrem verlockend – wenn auch sicherlich nicht für jeden. Die große Freiheit und der ultimative Erfolg, der da versprochen wird, fordert uns so einiges ab. Sollte eigentlich jedem klar sein: Nicht umsonst gibt es in Organisationen eine Arbeitsteilung. Wer sich um alles selbst kümmern muss, angefangen von der Kundenakquise über Werbung, Produzieren, Abrechnen, Rechnungseingang überprüfen, Mahnen, Beschwerden beantworten usw., der wird rasch an seine Grenzen stoßen. Schon verständlich, dass viele das Angestellten-Leben vorziehen, oder?

Zaubermittel Intrapreneurship

Dummerweise aber haben die Unternehmen vor längerer Zeit schon das Zaubermittel „Intrapreneurship“ entdeckt. Der Begriff geht auf das Ehepaar Pinchot zurück. Die Idee: Mitarbeitende sollen sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren, so handeln, als sei es ihr eigenes und sich somit auch für Erfolg und Mitterfolg verantwortlich fühlen. Keine ganz neue Geschichte, „Firmen versuchen schon sehr lange, das unternehmerische Risiko auf ihre Angestellten zu übertragen.“ Stichwort Direktvertriebe.

Die Nebenwirkungen sind erheblich. Wer unternehmerisch agiert, hat eine ganz andere Verantwortung und auch einen ganz anderen Druck als Angestellte. Wo früher vor allem Menschen in Sozialberufen so etwas wie Identifikation mit der Tätigkeit erlebten und sich entsprechend selbst ausbeuteten, ist das Phänomen Burnout heute überall angekommen. Und auf Managementebene hat sich die Belastung noch deutlich erhöht – die erstrebenswerten Positionen sind gar nicht mehr so erstrebenswert.

Perfekte Kontrolle

Nun aber kommt noch etwas hinzu, dass diese unternehmerische Arbeitsethik noch drastisch spürbarer macht: Die digitale Technik führt zur „Gig-Economy“ – ohne großen Aufwand kann nun jeder ein Unternehmer-Dasein zu führen. Plattformen ermöglichen es, dass auch Ungelernte zu Unternehmer*innen werden – nun kann jede seiner Berufung folgen und glücklich werden. Oder eben auch nicht.

Kein Unternehmer war jemals völlig unabhängig – natürlich war er schon immer auf Kunden, Lieferanten, Behörden und andere Zielgruppen angewiesen. Aber zumindest hatte er weitgehende Kontrolle über das, was er tat. Das sieht heute ganz anders aus: Jeder Gig-Worker unterliegt „mehr Kontrolle als jeder Fließbandarbeiter“. Diese Kontrolle wird zum Teil an die Kundschaft ausgelagert – ihre Bewertungen sorgen dafür, „dass ein beständiger Druck aufrechterhalten wird.“

Akt der Alchemie

Trotzdem träumen natürlich viele weiter davon, „ihr eigener Chef“ zu sein. Und reden sich ein, dass sie nicht arbeiten, sondern dass sie der eigenen Berufung folgen. Der Historiker meint sogar, dass die unternehmerische Arbeitsethik „fast wie ein Akt der Alchemie“ funktioniert: „Sie nimmt unsere Unzufriedenheit mit der Arbeitswelt und unsere Ängste und Frustrationen und verwandelt sie in eine Art Treibstoff“ – der uns dazu bringt, uns noch mehr für unsere Arbeit aufzuopfern.

Also dann vielleicht doch lieber als Angestellter arbeiten? Hilft ja nix, denn dann werden wir zum Intrapreneur gemacht. Was für ein Dilemma …

Was wäre die Lösung? Die Antwort ist ernüchternd: Wir sollten uns den psychologischen Mechanismus bewusst machen und uns überlegen, ob wir uns wirklich nur über unsere Arbeit definieren wollen. Also der Verlockung widerstehen, das Glück in der Arbeit (allein) zu suchen, stattdessen jenseits des Jobs schauen, was das Leben sonst noch für uns bereithält.

Wie ein Sport-Team?

Ich hätte noch eine weitere Antwort: Wenn schon selbstständig, dann vielleicht sich mit anderen zusammen tun. Dann lässt sich der Druck leichter verteilen und ertragen. Aber Vorsicht: Die Variante, selbst wieder andere für sich arbeiten zu lassen, vielleicht sogar noch in Form von Gig-Workern, wird den Druck sicher nicht verringern. Und wer davon träumt, dank der genialen Geschäftsidee den ganz großen Wurf zu landen und alles an einen Konzern oder Investor zu verscherbeln, der sei daran erinnert, dass auch das nur wenigen gelingt. Der Rest hat sich umsonst aufgeopfert.

Ich meine mit „mit anderen zusammentun“ eher die Idee, wie er in einer Sportmannschaft gelebt wird: Ein Team, das an einer gemeinsamen Idee bastelt und diese voranbringt, dabei aufeinander achtet und sich gegenseitig unterstützt. Wenn die Geschichte am Ende nicht zum ganz großen Erfolg führt, so kann zumindest niemand einem dieses gemeinsame Erlebnis und diese Zeit mehr nehmen.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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