INSPIRATION: Da scheinen sich die oberen Etagen einig zu sein – Strategie ist Chefsache. Wobei so wirklich niemand weiß, was das eigentlich ist – die „Strategie“. Weil es hierfür so viele Ansätze gibt, bietet es sich geradezu an, viele Perspektiven zu berücksichtigen. Also doch keine Angelegenheit für einige wenige, sondern Anlass, Mitarbeitende einzubinden. In der managerSeminare plädieren Stefan Kaduk und Dirk Osmetz sehr dafür, Strategiearbeit nicht mehr als „exklusive Kernaufgabe des Managements“ zu betrachten, sondern den Mitarbeitenden den Zugang zu öffnen (Entmachtete Strategiearbeit).
Mal abgesehen davon, dass es bekanntlich schwierig ist, ganze Belegschaften hinter einer strategischen Neuausrichtung zu versammeln, wenn diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit, oft dafür unter Beteiligung externer Berater, erstellt wurde, gibt es ein weiteres gutes Argument für mehr Einbindung der Betroffenen. Eine Strategie soll bekanntlich Orientierung bieten und für Stabilität sorgen, aber damit beeinträchtigt sie auch die Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren. Wer aber an der Strategie mitgearbeitet hat, weiß um ihren Sinn und Zweck und kann dann im Sinne der Strategie handeln statt ihr blind zu folgen.
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Die Autoren berichten von einem konkreten Beispiel, bei dem sie ein Unternehmen begleitet haben. Dabei ging es nicht um eine komplette Neuausrichtung, sondern um die Anpassung der bestehenden und bereits „implementierten“ Strategie. Die Berater führten zunächst mit über 100 freiwilligen Teilnehmern Interviews, dabei verwendeten sie systemische Fragen wie „Stellen Sie sich ein Kaffeeküchen-Gespräch vor: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass über strategische Fragen gesprochen wird?“ Oder: „Angenommen, Sie wollten persönlich dazu beitragen, dass die Entwicklung der Strategie sabotiert wird – was müssten Sie tun?“
Der Lackmustest
Aus den Ergebnissen formulierte man ein Hypothesenpapier, woran wohl ein Team bestehend aus den Beratern und den Gruppenleitern beteiligt war. Das Ergebnis enthielt durchaus provokante Aussagen wie „Die Strategie existiert nur auf dem Papier!“ Oder „Die Strategie ist unrealistisch, wenn nicht gleichzeitig massiv in Weiterbildung investiert wird!“ In verschiedenen Formaten (Dialogrunden) wurden diese Aussagen dann diskutiert und nicht nur eine angepasste Version entwickelt, sondern auch eine Vorgehensweise zur Kommunikation derselben im gesamten Bereich.
Damit steigt nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass die Strategie tatsächlich gelebt wird. Der Prozess war gleichzeitig eine Art Entwicklungsmaßnahme für die Gruppenleiter – was man nur allzu gut nachvollziehen kann. Hier ging es schließlich um Überlegungen, die maßgeblich das Handeln in dem Bereich bestimmen sollten, nicht um ein Musterprojekt, an dem man mal üben kann, wie Strategieentwicklung funktioniert. Also wurden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen, wobei die hierfür wichtigste Voraussetzung wohl das „Loslassen“ auf der oberen Führungsebene war.
Erfolgsfaktoren
So lautet dann auch einer der fünf Erfolgsfaktoren: Für eine solche Beteiligung muss man den Akteuren „eine umfängliche Lizenz zur Strategiearbeit“ einräumen. Die weiteren Faktoren sind: Auf das Prinzip der Freiwilligkeit setzen, wenn, dann den Prozess komplett öffnen und nicht nur ein bisschen beteiligen (dann es lieber gleich ganz sein lassen) und mit der Einstellung beginnen, dass grundsätzlich jeder sinnvolle Beiträge liefern kann. Eine Frage des Menschen- bzw. Mitarbeitendenbildes.
Nicht sicher bin ich mir, ob die Autoren damit richtig liegen, dass man in bestehenden hierarchischen Strukturen tatsächlich etwas bewegen kann, ohne die Strukturen zu verändern. Ihre These: Das geht, wenn Macht verbindlich abgegeben wird, – man also Mitarbeitenden die Lizenz zur Machtübernahme gibt. Auf Dauer glaube ich daran nicht, deshalb bin ich, wie die Autoren, auch gespannt, „welche Rückwirkungen sich in solchen und ähnlichen Prozessen für die Aufbauorganisation und das Hierarchiedenken ergeben.“ Ob man hierzu später etwas von dem dargestellten Unternehmen erfahren wird?