21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Datenanalysen für den Wandel nutzen

INSPIRATION: Auf der einen Seite reden alle von künstlicher Intelligenz und dem Segen, den die Analyse großer Datenmengen uns allen beschweren wird. Wenn ich praktische Anwendungsbeispiele suche, stoße ich meist auf wenige altbekannte Geschichten. Hier mal ein Beispiel, wie die Praxis in einem Call Center eines Versicherungskonzerns aussieht.

Das Ausgangsproblem: Alle möglichen Unternehmensbereiche leisteten sich eigene interne „Helplines“, die zu unterschiedlichen Zeiten erreichbar waren. In Zukunft sollte es nur noch eine Anlaufstelle rund um die Uhr geben, das Projekt nannte sich „ContactOne“. So weit, so nachvollziehbar.


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Organisiert wurde das alles so, dass einige Generalisten die Anrufe entgegen nahmen und sie dann an die Fachabteilungen weiterleiteten. Das aber funktionierte nicht so wie erhofft, die Kunden beschwerten sich. Per Software wertete man 10.000 Freitextkommentare aus. Und, was Wunder: Man fand heraus, dass die meisten Klagen mit zu langen Wartezeiten und fehlender Erreichbarkeit zu tun hatten. Das finden die Autoren des Beitrags in der OrganisationsEntwicklung (Analytics als Wandelmotor nutzen) schon mal sehr hilfreich, die Daten versachlichten die Diskussion.

Lange Wartezeiten

Eine weitere Analyse der tatsächlichen Erreichbarkeit ergab, dass diese bei 89% lag. Bei den anderen Anrufen gaben die Anrufer auf, bevor jemand den Anruf entgegen nahm. Außerdem stellte man fest, dass es Spitzenzeiten gab, in denen die Erreichbarkeit auf 75% sank. Bei genauerer Betrachtung fand man heraus, dass diese „Peaks“ dann auftraten, wenn es irgendwo technische Probleme gab, z.B. ein Server ausgefallen war, aber auch nach den Weihnachtsfeiertagen, weil die Kunden nach den Ferien ihre Passwörter vergessen hatten. Und wenn die Bonuszahlungen anstanden und die Führungskräfte Probleme mit dem Ausfüllen der Beurteilungen hatten.

Und es wurde ein weiteres Muster sichtbar: Der Engpass waren die Generalisten, die Mitarbeiter der Fachabteilungen waren selten voll ausgelastet. Der Forderung, nun mehr Generalisten in das Helpdesk zu setzen, widersetzte man sich. Auch nachvollziehbar: Wegen einiger Peaks stellt man sicher nicht mehr Leute ein. Zumal man nun auf neue Lösungen kam.

Muster werden sichtbar

Für die Passwörter startete man eine Infokampagne, wie man sich gut an sein Passwort erinnern kann – die Anrufe gingen signifikant zurück. Bei den Anfragen zu Beurteilungsfragen erkannte man, dass sich die Fragen sehr ähnelten. Also schaffte man Standardantworten und führte später einen ChatBot ein, der die Anrufenden durch die typischen Probleme führt.

Die größte Änderung aber betraf die Organisation im Service-Desk. Alle Mitarbeiter wurden nun zu Generalisten gemacht, d.h. jeder musste jeden Anruf entgegen nehmen. So gab es hier keinen Engpass mehr, allerdings hatten die Mitarbeiter, die vorher als Spezialisten gearbeitet hatten, ja keine Ahnung von den anderen Themen. Sie fühlten sich degradiert, und die Kunden meckerten, weil viele Anfragen nicht mehr direkt beantwortet werden konnten.

Man kann nicht alles haben – oder KI

Und jetzt kommt die KI (Künstliche Intelligenz)-Lösung. Eine Software erkennt sofort, von wo der Kunde anruft, ob es dort technische Probleme gibt, welche Hard- und welche Software er nutzt, zu welchen Themen er schon mal angerufen hat. Und dann bekommt der Mitarbeiter im Help-Desk den wahrscheinlich geeignetsten Artikel aus einer Wissensdatenbank angezeigt. Er bewertet anschließend den Arikel danach, ob er hilfreich war, daraus „lernt“ die Software und wird so immer besser.

Fazit: Die Erreichbarkeit ist auf 96% gestiegen. Höhere Werte erreichen zu wollen, ist müßig, da die Kundenzufriedenheit ab einem Wert von 95% nicht mehr steigt. Die Selbsthilfe funktioniert besser (von 50 auf 66% gestiegen), die Kundenzufriedenheit ist deutlich höher, ein voller Erfolg.

Habe ich jetzt eine bessere Vorstellung von „Analytics“ und KI? Irgendwie schon. Zwar denke ich, dass man nicht Tausende von Daten anaylsieren muss, um zu erkennen, dass Anrufer verärgert über lange Wartezeiten sind. Und dass bei technischen Störungen das Volumen steigt. Aber zumindest objektivieren solche Analysen das, was die Mitarbeiter vermutlich ohnehin wussten. Dass Menschen anrufen müssen, weil sie ihr Passwort vergessen haben, kommt mir sehr antiquiert vor. Und dass Führungskräfte Probleme mit dem Ausfüllen von Beurteilungsbögen haben, könnte man dadurch lösen, dass man ihnen diese „Arbeit“ ganz erspart.

Die Trefferquote steigern

Interessant wird es tatsächlich mit der Lösung, dass man Mitarbeitern passende Informationen zum Problem des Anrufers zuspielt, und hier mit Hilfe von Algorithmen dafür sorgt, dass die Trefferquote dieser Informationen steigt. Das ist das, was uns allen ja auch im Internet ständig schon passiert: Wir geben eine Frage ein und bevor wir ganz damit fertig sind, werden uns schon passende Antworten angeboten.

In dem beschriebenen Fall hängt ein realer Mensch zwischen dem Hilfesuchenden und der von der KI vorgeschlagenen Lösung. Er kann erkennen, ob dem anderen wirklich geholfen wurde und wenn nicht, entsprechend eingreifen und bei Bedarf weiterleiten. Ich vermute aber, dass diese Schnittstelle schon bald gestrichen wird. Was wahrscheinlich keine gute Idee ist, aber mal abwarten.

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