19. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Feedbackschleifen

KRITIK: Sie fahren in eine Ortschaft hinein. Vor Ihnen taucht ein elektronisches Hinweisschild auf, das Ihnen anzeigt, wie schnell Sie fahren. Ein Smiley in Rot signalisiert, dass Sie zu schnell fahren, ein grünes Smiley zeigt an, dass Sie sich an die Geschwindigkeit halten. Ein perfektes Beispiel für eine Feedbackschleife. Ihr Verhalten wird gemessen, das Ergebnis Ihnen unmittelbar zurückgemeldet, und das immer wieder, so dass Sie Ihr Verhalten anpassen können. Was auch funktioniert. Und das ohne Androhung von Strafen.

Könnte das auch mit den vielen inzwischen am Markt angebotenen digitalen Feedbacktools funktionieren? Zumindest suggeriert das der Beitrag in der OSC (Digitale Feedback-Trends im Coaching und zur Selbststeuerung richtig einsetzen). Nicht, wenn das Feedback zu langsam oder zu selten erfolgt, heißt es da. Tja, da wird das erste Problem deutlich. Nehmen wir mal an, ein Kollege reagiert ziemlich unfreundlich gegenüber einem Kunden. Ein Feedbackgeber füllt einen Monat später ein elektronisches Tool aus, in dem der Kollege nur zwei Sternchen in Sachen „Kundenfreundlichkeit“ erhält. Der Kollege passt sein Verhalten an, die Veränderung wird „gemessen“ und führt zu drei Sternchen im nächsten Feedback-Durchlauf. Realistisch?


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Sternchen für Ärzte

Bevor wir uns das näher anschauen, hier ein weiteres Argument für Feedbacktools – die Sternchen seien in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir lieben es, Produkte, Reisen und Lieferdienste zu bewerten. Und inzwischen auch Menschen. Ärzte zum Beispiel. Die durchschnittlichen Bewertungen können dann von anderen eingesehen werden, die wiederum diese Bewertungen nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Warum also nicht auch bei Feedbackprozessen in Organisationen? Wozu? Damit der auf diese Weise Bewertete sich mächtig anstrengt, um seine Werte zu verbessern? Oder damit auf dem internen Arbeitsmarkt die Kandidaten miteinander verglichen werden? Wer eine solche Kultur in seinem Unternehmen mag – nur zu. Mit allen Konsequenzen – vom Sternchen „kaufen“ bis zum „Faken“ von Bewertungen.

Zurück zu der Feedbackschleife. Wie soll der unfreundliche Kollege anhand einer solchen „Rückmeldung“ wissen, worauf sich die zwei Sterne beziehen. Und wenn er dann noch von anderen Kollegen vier der niedlichen Orden erhält – was macht er damit? Oder wenn er sogar einen Durchschnittswert erhält. Oh weh …

Aber bleiben wir mal bei dem Vergleich: Das wäre so, als erhielte unser Autofahrer vier Wochen nach seiner Tour durch den Ort ein Foto mit seinen Geschwindigkeitsmessung am Tag X an Ort Y. Nein, falsch: Er erhält eine Grafik mit der durchschnittlichen Geschwindigkeit bei der Einfahrt in Ortschaften – im Vergleich zu der vorgeschriebenen. Was wäre so schlimm daran? Nichts eigentlich, denke ich. Das Problem ist nur, dass das die Geschwindigkeit in Ortschaften nur einen winzige Ausschnitt aus meinem gesamten Verhalten im Straßenverkehr darstellt. Für wie viele Aspekte meines Verhaltens hätte ich gerne zeitnahes Feedback?

Trend zur Selbstoptimierung

Womit wir zum nächsten Argument für regelmäßiges Feedback kommen: Der Trend geht zur Selbstoptimierung. Immer mehr Menschen installieren Apps auf ihrem Smartphone, um verschiedene Verhaltensweise zu messen, um sich dann Rückmeldungen geben zu lassen, wie weit sie vom Wunschverhalten entfernt sind. Und sich sogar anzeigen lassen, wie der aktuelle Stand ist – siehe Geschwindigkeitsanzeige. Etwas schräg wird’s, wenn sie sich anzeigen lassen, wie lange sie ihr Smartphone nutzen …

Was zu einer auch in dem genannten Beitrag aufgestellten Forderung führt: Um wie gewünscht Verhalten zu verändern, sollte der Feedbacknehmer schon ein Interesse haben, ein bestimmtes Verhalten zu verändern. Also am besten selbst entscheiden, woran er arbeiten möchte. Was aber in den seltensten Fällen in Organisationen so umgesetzt wird. Da entscheiden Management und HR, was optimiert werden soll.

Ich würde gerne noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam machen, der jeder Form von institutionalisiertem Feedback berücksichtigt werden sollte: Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein „Messinstrument“ wie eine Geschwindigkeitsmesser oder eine Smartphone-App mein Verhalten misst oder ein Mensch ein Verhalten beurteilt. Einen oder drei Sterne zu vergeben als Messung zu verstehen, ist gewagt, um nicht zu sagen vermessen. Natürlich vergleicht der Feedbackgeber das beobachtete Verhalten mit einem Maßstab – aber niemals mit einem, auf den sich wer auch immer verständigt hat, sondern mit seinem ganz subjektiven, durch persönliche Erfahrung gewonnenen Werten.

Unmittelbar oder gar nicht?

Es bleibt für mich dabei: Feedback funktioniert nur unter ganz besonderen Rahmenbedingungen (Feedback funktioniert nicht). Am besten natürlich, wenn eine Rückmeldung unmittelbar nach dem gezeigten Verhalten erfolgt. Wenn ich die falsche Taste am Rechner drücke und eine fette Warnung auftaucht, in der mir mitgeteilt wird, dass, wenn ich jetzt auf „Enter“ drücke, meine Datei gelöscht wird. Aber eher nicht, wenn mir ein Stern drei Wochen später anzeigt, dass meine Digitalkompetenz eher unterdurchschnittlich entwickelt ist.

Eine letzte Anmerkung: Die Autoren stellen die Ergebnisse einer Umfrage vor, an der sich 147 Mitglieder der Leitung, Mitglieder der Personalabteilung oder externe Berater beteiligten. Darin gaben 67% an, dass „durch [das] jeweils eingesetzte Tool insgesamt ein wirkungsvolleres Feedback gegeben wird.“ Bei der Frage, ob man das Tool Kollegen weiterempfehlen würde, lag der Net Promoter Score (NPS) bei 27 – kein wirklich überzeugender Wert, finde ich, wenn die Skala von -100 bis +100 reicht. Und das, obwohl man hier Auftraggeber, HR und Berater gefragt hat …

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