INSPIRATION: Sind Sie über die Überschrift gestolpert? Gut so, denn hier kommen einige extrem hilfreiche Hinweise zur Funktionsweise von Konflikten, und welche Kompetenzen notwendig sind, um diese zu gestalten (Feinde sind wichtig).
Folgende Situation ist uns allen bekannt: Man diskutiert mit jemandem und stellt fest, dass es in der Sache Differenzen gibt. Irgendwann kippt die Stimmung. Das hat etwas mit unseren Erwartungen zu tun. Wir erwarten zum Beispiel, dass der andere uns zustimmt, weil wir ja schließlich gute Argumente haben. Tut er das nicht, sind wir enttäuscht, und dann geht es rasch in Richtung persönlicher Vorwürfe. Wir verlassen die Ebene der Sache und treten ein in die soziale Ebene. Und erleben den anderen als feindlich.
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Die Unterscheidung in Freund und Feind ist uralt, wir bekommen sie als Kinder schon beigebracht. Und weil sie so alt ist, muss sie auch eine Funktion haben. Es ist also nicht damit getan, dieses Phänomen als schädlich und unsinnig abzutun, indem man z.B. „freundlich“ als die „richtige“ Haltung ansieht. Der Gegenpol von „feindlich“ ist laut Klaus Eidenschink auch nicht freundlich, sondern „dialogisch“.
Was nun nicht bedeutet, dass wir immer statt einer feindlichen Haltung zu einer dialogischen übergehen müssen. Denn wenn die feindliche eine Funktion hat, dann gilt es eher, diese „zu nutzen und kunstvoll zu handhaben“. Klingt seltsam?
Aber stellen Sie sich vor, Sie haben jemanden in Ihrem beruflichen Umfeld, der Ihnen tatsächlich schaden will – aus welchem Grund auch immer. Dann hilft es erstmal wenig, in einen Dialog zu treten, sondern Sie müssen diesen Feind erst einmal als solchen erkennen und annehmen. Diese eigene feindliche Haltung ist manchmal nötig, um wütend zu werden, damit man den Mut aufbringt, Klartext zu reden. Das ist gemeint mit „den Feind als Feind zu lieben“.
„Feindliche Kompetenzen“
Wenn wir stattdessen den Kontakt abbrechen oder vermeiden, endet der Konflikt, er wird eben nicht gestaltet. Für diese Haltung benötigt man allerdings bestimmte Kompetenzen – und hier wird es richtig interessant. Da ist zum einen die Fähigkeit, andere überhaupt als Feinde anzuerkennen. Zu akzeptieren, dass es mitunter nötigt ist, anderen zu schaden, um einen Konflikt voranzubringen. In dem genannten Fall könnte es also nötig sein, den „Gegner“ in einem Meeting öffentlich vor vielen anderen direkt anzugehen und seine feindseligen Aktivitäten anzuprangern. Damit würde der Konflikt in Gang kommen.
Aber so etwas zu tun, benötigt noch mehr, nämlich z.B. die Kompetenz, Schuldgefühle zuzulassen. Man fühlt sich nie gut, wenn man andere attackiert, denn niemand ist ja nur böse. Ohne Schuldgefühle bleiben wir im feindlichen Modus und können nicht in den dialogischen wechseln. Warum auch, denn im feindlichen Modus haben wir Recht und der andere auf jeden Fall Unrecht. Es gibt nichts, worüber wir miteinander reden können.
Zum Pol des Dialogischen: Es erscheint uns natürlich sinnvoll, zu diesem zu wechseln, um zu einer Verständigung mit dem anderen zu gelangen. Problematisch ist, wenn wir ihn als die moralisch einzig richtige Variante ansehen. Dann laufen wir in eine Falle. Wer zu erkennen gibt, dass er auf jeden Fall den Dialog sucht, zeigt, dass er nie zum letzten Mittel greifen, keine klaren Grenzen ziehen will. Dann wird es schwierig, in einem Konflikt eine Symmetrie herzustellen. Und schlimmer: Wer sich als moralisch überlegen darstellt (weil man ja schließlich den Dialog sucht), der erzeugt beim Gegenüber Reaktanz und heizt den Konflikt sogar an.
Dialogische Kompetenzen
Womit noch einmal deutlich wird: Man braucht beide Seiten: Die feindliche und die dialogische, um einen Prozess in Gang zu bringen. Und welche Kompetenzen benötigt man für die dialogische Seite? Zum einen die Fähigkeit, sich selbst zu beobachten, also Distanz zu den eigenen Emotionen zu halten. Zu erkennen, was in uns los ist und dann z.B. eine Pause einzulegen. Oder mit jemandem darüber zu reden. Außerdem ist es wichtig, den anderen nicht verändern, sondern erkennen zu wollen, worum es ihm geht. Denn niemand ist ausschließlich darauf aus, anderen zu schaden, „es gibt immer eine Not“. Wir wollen uns vor irgendetwas schützen, aber das raubt uns den Spielraum für alternatives Verhalten.
Apropos Not: Das ist eine weitere wichtige Kompetenz – das Verständnis für die eigene Not. Wir müssen in der Lage sein, „den eigenen Gefühlen zu misstrauen“, verstehen, dass es nicht der andere ist, der uns verletzt und beschämt, sondern unsere eigene Art, mit Vorwürfen umzugehen. Zu erkennen, welche Not der andere bei mir trifft, ist schon die große Herausforderung.
Nein, gar nicht einfach, die Dynamik eines Konfliktes zu erkennen und zu nutzen. Zum weiteren Verständnis hier die Unterscheidung der Pole „Verabsolutiert“ und „Unklar“ (Von absoluten und unklaren Urteilen).