INSPIRATION: Was passiert, wenn eine Abteilung in einem Großkonzern agiles Arbeiten einführt? Eine ehemalige Führungskraft von Bosch hat das erlebt und beschreibt ihre Erfahrungen. Die Leitung der zentralen Personalentwicklung mit 25 Mitarbeitern wagte das Experiment (Die Tücken des Selbstmanagements). Sie ordnete die Mitarbeiter fünf Themenschwerpunkten zu, die folglich von fünf agilen Teams bearbeitet wurden. Und wunderte sich, dass die Teams sich klare Spielregeln wünschten, Probleme mit Mehrheitsentscheidungen hatte (was macht jemand, der in einer solchen Abstimmung unterliegt, aber die Entscheidung nach außen vertreten muss?) und Schwierigkeiten hatte, Prioritäten zu definieren.
In der Folge wurde genau hieran gearbeitet, z.B. mit dem „Delegations-Poker“. Und noch einmal wunderte man sich, dass die Mitarbeiter den Führungskräften mehr Verantwortung zukommen ließen, als diese das selbst vorgeschlagen hatten. Was mir auch häufiger passiert ist, mir aber immer damit erklärt habe, dass wir in der Tat seit der Kindheit gewohnt sind, dass andere für uns Verantwortung zu übernehmen. Hinzukommt, dass Menschen auf einer „agilen Insel“ in einem ansonsten hierarchisch organisierten Konzern das Problem haben, dass ja jemand mit den anderen Strukturen kommunizieren und verhandeln muss. Nicht ganz ungewöhnlich, dass man so etwas lieber den Führungskräften überlässt (die ja schließlich auch genau dafür bisher bezahlt wurden).
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Ernüchterung
Und auch das liest man immer wieder: Die agilen Formen vertragen sich in der Regel nicht mit den „klassisch prozessoptimierten HR-Tools als Hindernis“. Gemeint sind so elementare Dinge wie das Mitarbeiter-Jahresgespräch. Oder die Leistungsbeurteilung. Oder die individuellen Zielvereinbarungen. Wie soll eine Führungskraft bei fünf agilen Teams noch herausfinden, welchen Beitrag jeder Einzelne zum Erfolg beiträgt?
Bei Bosch löste man das so, dass die Führungskräfte häufiger kurze Meetings mit den Teams abhielten, um sich einen Eindruck von den Mitarbeitern zu verschaffen. Nicht sonderlich fantasievoll. Die Zielvereinbarungen wurden auf der Teamebene getroffen – alles andere ergäbe ja auch keinen Sinn. Und siehe da: „Je konkreter und pragmatischer diese Teamziele waren, desto eher haben sie die Teams zusammengehalten.“ Schwer irritierend finde ich den nächsten Hinweis: „gemeinsames Feinbild“. Vermutlich ist das aber so gemeint, dass ein gemeinsames Ziel ein Team generell zusammenschweißt, wie das auch bei einem gemeinsamen Feindbild der Fall ist.
Die weiteren Erkenntnisse: Als nicht so einfach entpuppte sich das Thema „Feedback“. Zum einen wurde ein Kreis ausgewählter Kunden vier Mal jährlich befragt, um Feedback von außen zu bekommen. Zum anderen bemühte man sich um teaminternes Feedback, was offenbar gewöhnungsbedürftig war (auch da staunt man, oder? Schließlich handelte es sich um eine Personalentwicklungsabteilung). Man versuchte es mit speziellen Formen wie Speed-Feedback, Feedback-Spaziergängen oder auch spontanen Feedbacks im Rahmen von Reviews und Retrospektiven. Für mich ist letzteres eigentlich der wirklich sinnvolle Weg: Wenn man über Ergebnisse reflektiert und wie sie zustande gekommen sind, ist Feedback doch automatisch enthalten.
Zwei Erkenntnisse noch zum Schluss: Teams aus lediglich fünf Mitgliedern erwiesen sich als zu klein, und ohne einen professionellen Coach wird es schwierig. Sollte man vielleicht auch berücksichtigen.