4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ernsthaftes Bemühen

INSPIRATION: Ich war kurz davor, das Bemühen um einen Beitrag zum Thema „Leistung“ einzustellen. Zu komplex und vielschichtig für einen MWonline-Artikel, dachte ich. Aber dann war klar: Genau darum geht es beim Thema Leistung: Um dieses „ernsthafte Bemühen“. Und um die nahezu unlösbare Aufgabe, Leistung zu beurteilen.

Die Sache mit dem Bemühen erklärt Wolf Lotter in seinem Prolog zum Schwerpunktthema in der Brand eins (Die neue Leistungsgesellschaft). Zweifellos haben sich die Zeiten geändert. Das, was Menschen in Fabriken und Werkstätten viele Jahrzehnte geschaffen haben, können heute Maschinen deutlich besser. Aber deren „Output“ bestimmt immer noch, was wir heute unter „Leistung“ verstehen. Deshalb wird allerorten auch noch immer versucht, Leistung zu „messen“. Die Folgen in der Wirtschaft und Gesellschaft sind bekannt: Aktienkurse, Gewinne, Verkaufszahlen, Einschaltquoten, Downloads, Likes, Numerus Clausus… – allesamt numerische Kennzahlen, die nach wie vor für so etwas wie „Leistung“ stehen.

Schaut man genauer hin, dann fällt bei den genannten Begriffen zunächst auf, dass kaum einer geeignet ist, die „Leistung“ einer einzelnen Person zu erfassen. Selbst der Notendurchschnitt bei Schülern und Studenten ist heute mehr das Ergebnis eines ganzen Teams von Eltern und Nachhilfelehrern. Und wenn doch einer von ihnen eine Top-Note ohne weitere Unterstützung erzielt, dann freuen sich zwar die Eltern, aber von Leistung würden wir nur dann sprechen, wenn auch die Anstrengung, eben das oben genannte „ernsthafte Bemühen“ dahintersteht.

Ein ehemaliger Leistungssportler plädiert dafür, zwischen Leistung und Erfolg zu unterscheiden („Es gibt Leistungssportler, die bereit sind, ein kürzeres Leben in Kauf zu nehmen“). Jemand, der es nach ganz oben geschafft hat, ohne sich sonderlich anzustrengen, hat Erfolg. Jemand, der jahrelang für ein angestrebtes Ziel schuftet und am Ende auf Rang 85 landet, hat eine Leistung erbracht, ist aber nicht sonderlich erfolgreich. Mit anderen Worten: Erfolgreich ist man, wenn man im Vergleich zu anderen gut abschneidet. Eine Leistung erbringt man, wenn man sich ernsthaft bemüht. Und sich selbst weiter entwickelt. Natürlich ist bei den meisten Erfolgreichen der Erfolg auch das Ergebnis einer gewaltigen Anstrengung und Ausdauer über viele Jahre.

Womit wir bei dem schwierigen Thema der Leistungsbeurteilung sind. Das Ergebnis eines Verhaltens mag man hier und dort immer noch einzelnen Menschen allein zuordnen, messen und somit bewerten können. Jemand schafft es, 100m in 11 Sekunden zu laufen, einen Weg in drei Tagen zu pflastern, 400 Bratwürste an einem Tag zu braten, einen Text in einer bestimmten Zeit fehlerfrei zu übersetzen. So etwas lässt sich immer noch messen.

Aber wie schon erwähnt: Die meisten dieser Dinge können Roboter jetzt schon viel besser, und dass überhaupt noch ein Mensch versucht, 100m möglichst schnell zu laufen, hat was damit zu tun, dass wir nach wie vor Helden mögen. Gegen Maschinen hat der Menschen in Sachen Geschwindigkeit schon lange keine Chance mehr. Nur konsequent, dass der ehemalige Schwimmer dafür plädiert, den Leistungssport, so wie wir ihn kennen, in Frage zu stellen.

Was also wollen wir dann überhaupt noch beurteilen? Wenn es sich um Leistung im Sinne von „Bemühen“ handelt, dann wird schon deutlich, wie schwierig bis unmöglich das wird. Und dennoch wird es probiert. Gerade in Zeiten des Homeoffice boomen angeblich die Softwareprogramme, die genau aufzeichnen, was Menschen tun (Bin ich gut genug?). Jeder Klick, jeder Tastendruck wird gezählt, jede Webseite, die aufgerufen wird, gespeichert, bei Essenlieferanten jeder Weg aufgezeichnet, jede Lieferung protokolliert. Noch beeindruckender: Smarte Handschuhe oder smarte Armbänder zeichnen jede Bewegung von Mitarbeitern in der Logistik auf und geben unmittelbar Rückmeldung per Vibration. Auf Dashboards wird zeitnah angezeigt, wie viel in welcher Qualität man geschafft hat.

Tatsächlich, so heißt es, schätzen Mitarbeiter diese unmittelbare Rückmeldung. Glaube ich sogar, immer noch besser als einmal im Jahr vom Chef beurteilt zu werden und sich dann anhören zu müssen, dass man vor vier Monaten mal zu spät gekommen sei und deshalb in Sachen Engagement nur eine 3 bekommen hat. Nur wird auch hier deutlich: Solche automatisierten „Leistungsbewertungen“ funktionieren da, wo sie schon immer einfacher zu erstellen waren: Bei einfachen Tätigkeiten, die über kurz oder lang von Robotern übernommen werden. Was ja auch sinnvoll ist, dann kann man die schönen Programme nutzen, um die Maschinen zu steuern.

In diesen Zusammenhang passt auch das Ergebnis einer Metastudie, bei der 69 Studien mit über 10.000 Fällen ausgewertet wurden (Subjektive Leistungsbeurteilung: Eine alternative für Zielvereinbarungen in der VUCA-Welt?). Hier stellte sich heraus, dass die Leistungsbeurteilungen von Mitarbeitern durch mehrere Führungskräfte relativ hoch miteinander korrelieren (r=0,5), wobei die Reliabilität sank, je komplexer die zu beurteilenden Aufgabe waren. Soll heißen: Die Ergebnisse einfacher Tätigkeiten zu bewerten, schaffen Führungskräfte noch ganz gut (wobei 0,5 jetzt auch nicht wirklich überzeugt), aber das können vermutlich Algorithmen besser. 

Um den Kreis zu schließen: Unternehmen haben eher kein großes Interesse daran, ernsthaftes Bemühen (und damit Leistung) zu beurteilen, wenn am Ende das Ergebnis nicht passt. Hat ja auch was von „stets bemüht“ an sich. Dabei wäre doch das höchst hilfreich: Menschen eine Rückmeldung zu geben darüber, dass ihr Bemühen wahrgenommen wurde und ihnen zudem Unterstützung anzubieten, um erfolgreicher mit ihrem Bemühen zu sein. Genau das aber leisten die vielen Beurteilungssysteme eben nicht, weil es am Ende vor allem eins bedeutet: Miteinander zu reden, die Sichtweisen auszutauschen und gemeinsam zu überlegen, wie man erfolgreicher sein könnte.

Wie dies in einem Beitrag über die Beurteilung der Leistungen von Lehrern (Sollten Pädagogen nach Leistung bezahlt werden?) deutlich wird. Die verschiedenen hier beschriebenen Versuche, bessere „Leistungen“ zu erzeugen, scheinen allesamt wenig tauglich zu sein. Also selbst wenn es gelänge, einen Maßstab für „Pädagogenleistung“ zu finden – was würde es nützen? Offenbar gibt es ein recht einfaches Mittel, um Lehrer erfolgreicher zu machen: „Ihr Tun einmal genau zu analysieren„. Und ihnen dann zu erklären, wie sie besser werden können. Hier wie vermutlich auch die meisten anderen Menschen zeigt sich, dass die meisten einen guten Job machen wollen und hierfür eine entsprechende Wertschätzung zu erhalten.

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