4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Fluch der High Potentials

KRITIK: Wer als Top-Talent identifiziert und hofiert wird, der wähnt sich auf dem Weg an die Spitze. Aber dieser ist steinig, zum Teil sogar so steinig, dass renommierte Unternehmen inzwischen darauf verzichten, diese „High Potentials“ besonders herauszustellen.

Das Problem laut eines Artikels in der Wirtschaftswoche (Der Fluch des Überfliegers): Diejenigen, die schon an der Uni angesprochen werden und später dann im Unternehmen in spezielle Talentförderprogramme aufgenommen werden, erzeugen beim Rest der Belegschaft Frust und Neid. Das Signal nämlich lautet: „Ihr anderen bleibt außen vor, gehört nicht dazu.“ Dass die Kollegen dem Neuen nicht nur misstrauen, sondern die Liestung des Teams nach Eintritt des vermeintlichen Top-Talents sogar sinkt, ist das Ergebnis einer Studie mit 3.000 Jobwechslern (Prato / Ferraro).


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Eine andere Studie ergab, dass auch die Vorgesetzten der jungen Überflieger alles andere als unterstützend sind. Sie fühlen sich nämlich von ihnen bedroht und tendieren dazu, ihnen Informationen vorzuenthalten. Von „subtilem Mobbing“ ist die Rede (Reh / Tröster / van Quaquebeke).

Und schließlich führt diese Aufnahme in den sogenannten Goldfischteich dazu, dass mit der erhöhten Sichtbarkeit in der Organisation und im Management die Erwartungen und damit der Druck steigen – sowohl auf Seiten der Manager als auch der Betroffenen selbst. Und wenn dann noch die Aufgaben mit den Erwartungen nicht mithalten können, ist der Frust groß – mit dem Ergebnis, dass der hochgelobte Nachwuchs irgendwann das Handtuch schmeißt oder Dienst nach Vorschrift tut.

Nachvollziehbar? Irgendwie schon. Die Lösung ist interessant. Die hier zitierten Unternehmen ermitteln weiterhin in geheimen Managementzirkeln ihre Top-Leute, aber sie stellen sie nicht mehr öffentlich aus. Man teilt es ihnen dezent mit, vermutlich mit dem Hinweis: „Das bleibt unter uns.“ Die Kollegen sollten nicht mitbekommen, dass unter ihnen ein „High Flyer“ ist. Dann kommt auch kein Neid auf.

Das Problem ist angeblich, dass man eben keinen Ansatz finden kann, der für alle Mitarbeiter funktioniert. Wieso eigentlich nicht? Warum kann man nicht jedem Mitarbeiter sagen, was man ihm zutraut? Warum kann man nicht in Personalkonferenzen über jeden Mitarbeiter sprechen und sich überlegen, wie man seine Stärken und Fähigkeiten sieht, welche Möglichkeiten es im Unternehmen für ihn gibt und – im negativen Fall – ob man ihm empfehlen möchte, sich lieber etwas anderes zu suchen?

Schon klar, das Problem ist ein anderes: Das Management hätte gern eine einfache, übersichtliche Darstellung, am besten ein einziges Blatt Papier mit schlichter Portfolio-Struktur, auf dem die Hoffnungsträger, mit Noten versehen, einsortiert werden. Aber wozu? Man könnte doch mit jedem einzelnen sprechen und mit ihm überlegen, welche Aufgaben als nächstes für ihn bzw. das Unternehmen reizvoll sind. Oder ob die aktuellen Aufgaben ihn ausreichend fordern. Zumal es ja überall heißt, dass niemand mehr langfristig planen kann, zu rasch verändern sich Organisationen und Anforderungen.

Wenn man doch ohnehin keinen Goldfischteich mehr eröffnen möchte mit speziellen Entwicklungsprojekten und Vorstands-Kamin-Abenden, dann kann man sich doch auch die geheimen Sammelbecken schenken. Oder übersehe ich da etwas?

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