KRITIK: Immer mehr Unternehmen fordern ihre Mitarbeiter auf, sich gegenseitig Feedback zu geben. Neben den bekannten 360-Grad-Verfahren kommen Apps mehr und mehr in Mode, mit denen man spontan Kollegen Sternchen und Likes verpassen kann. Aber wenigen ist klar, dass hier die Grenzen zwischen Feedback, Lob und Beurteilung verschwimmen – mit gravierenden Folgen.
Im Grunde ist das nicht so schwer zu verstehen: Feedback im Sinne von „jemand erzählt einem anderen, wie er ihn oder sein Verhalten wahrnimmt und was dies bei ihm auslöst.“ Eventuell noch mit Empfehlungen, wie ein anderes Verhalten auf ihn wirken würde und der Bitte, dieses doch in Erwägung zu ziehen. Das ist eine feine Sache. Wo in Organisationen so etwas aus freien Stücken und regelmäßig stattfindet, darf man sich freuen, das zeugt von einer Kultur des gegenseitigen Vertrauens. Deshalb möchten viele Unternehmen ein solches Verhalten unterstützen und suchen nach Tools und Verfahren, um den Mitarbeitern die Sache schmackhaft zu machen.
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Die Idee dabei: Wer immer wieder erfährt, wie sein Verhalten wirkt, der hat somit die Chance, sein Verhalten zu reflektieren. Allerdings: Ob er das macht, liegt ganz bei ihm. Er kann auch entscheiden, es beim alten Verhalten zu belassen, aus welchem Grunde auch immer. Die Chance, dass der Feedbacknehmer über das erhaltene Feedback wirklich nachdenkt, sinkt, wenn das Feedback unaufgefordert gegeben wird. Also wäre es gut, wenn der Feedbacknehmer selbst darum bittet.
Und jetzt alle mit Tool
Das lässt sich in Organisationen ja auch gut umsetzen: Man stellt entsprechende Tools zur Verfügung, beschreibt den Prozess (z.B. jemand klickt im Intranet an, dass er gerne Feedback möchte, benennt die Feedbackgeber und bekommt dann entsprechende Antworten) und bietet vielleicht sogar noch die Möglichkeit, dass der Feedbacknehmer einen Coach buchen kann, um mit diesem über die Ergebnisse zu reden. Oder die Möglichkeit, dass er einen Moderator engagiert, um ein direktes Gespräch mit den Feedbackgebern zu begleiten.
All das, was inhaltlich bei diesem Prozess abläuft, bleibt unter den Beteiligten – theoretisch. Denn jetzt kommt das Problem: Sobald eine Organisation die (technische) Möglichkeit hat und nutzt, Erkenntnisse über die Feedbacknehmer aus dem Verfahren zu ziehen, werden die Grenzen zum Urteil überschritten.
Feine Unterschiede
Bevor ich hierauf eingehe, vielleicht erst noch etwas über den Unterschied zwischen Feedback und Lob (Feedback, Urteil oder Lob?). Armin Trost erklärt, dass Lob etwas anderes als Feedback ist. Lob soll Verhalten verstärken (so etwa, wie das die Behavioristen mit ihren Ratten und Affen geübt haben). Es soll auch die Beziehung verstärken, man möchte dem anderen etwas Gutes tun und Lob kann, anders als Feedback, auch nicht eingefordert werden, sondern nur unaufgefordert vom Lobenden ausgehen.
Ein Sternchen, ein Like, ist demnach ein Lob – so wie die Futterpillen bei den Versuchstieren. Ich kann dem gut folgen, aber würde mir als Unternehmen wohl überlegen, ob ich mit diesen Mitteln arbeiten möchte. Setzt nämlich schon voraus, dass man Menschen als Reiz-Reaktions-Maschinen betrachte und sie dressieren möchte.
Was aber in der Tat gar nicht geht: Die verteilten Sternchen und Likes auszuwerten und daraus externe Konsequenzen abzuleiten – so wie es auch gar nicht geht, Feedback-Ergebnisse auszuwerten und hieraus Maßnahmen abzuleiten, also z.B. Prämien, Beförderungen, Sanktionen etc. In dem Moment befinden wir uns auf dem Gebiet des Urteils. Dann hat nicht mehr der Feedbacknehmer die Entscheidungshoheit, sondern die Organisation. Und das verändert massiv die psychologische Dynamik, denn dann werden die Feedbacknehmer versuchen, Einfluss auf das „Feedback“ zu nehmen, zu verhandeln, die „Richtigkeit“ anzuzweifeln und, wie vor Gericht, Einspruch einzulegen.
Feedback und Beurteilung trennen
Also, so die Konsequenz: Man kann alles drei machen: Feedback unterstützen, Lob-Tools zur Verfügung stellen, Beurteilungen durch Führungskräfte oder Kollegen einholen. Wenn da nicht ein großes Problem entstünde: Wenn ein Feedback-Nehmer viel positives Feedback bekommt und eine Menge Sternchen, und das auch noch von der gleichen Person, die ihn einmal im Jahr beurteilen soll, dann wird sie natürlich auch ein positives Urteil erwarten. Mit der Konsequenz, dass der Beurteiler in Zukunft sehr vorsichtig mit Feedback und Lob sein wird, um zu verhindern, bei der Beurteilung in zermürbende Diskussionen und „Verhandlungen“ zu geraten.
Konsequenz für Armin Trost: Trennen von Feedback und Beurteilung. Was viele Unternehmen schon probieren, indem sie Feedback-Gespräche und Beurteilungsgespräche trennen. Was das Dilemma aber nicht beseitigt (siehe oben). Also wäre es nur konsequent, die Personen zu trennen: Kollegen und Mitarbeiter geben Feedback und loben, Führungskräfte beurteilen.
Das ist schon irgendwie Satire, oder? „Sorry, ich bin dein Chef, Loben und Feedback geben darf ich nicht!“ Das wäre so, als würde ein Lehrer weiterhin Noten geben und Prüfungen abnehmen, aber seine Schüler nicht mehr loben und ihnen keine Rückmeldung geben dürfen. Übrigens scheint diese Überlegung in den meisten Unternehmen keine Rolle zu spielen. Nach einer Umfrage, an der 170 große Unternehmen teilnahmen (Unter vier Augen) geht es den Initiatoren von Mitarbeitergesprächen vor allem um Feedback und Personalentwicklung.
Womit ich mal wieder zu dem gleichen Schluss komme wie stets zu diesem Thema: Statt irgendwie zu versuchen, die ganzen Tools unter einen Hut zu bekommen, sollte man einfach auf einige ganz verzichten. Für mich wäre hierfür der heißeste Kandidat die Beurteilung. So wie man auch Lehrern nicht mehr zumuten sollte, ihre Schüler, die sie voranbringen bringen und entwickeln sollen, am Ende mit Zensuren zu beurteilen (die ja letztlich bei negativen Noten nichts anderes aussagen als dass man als Lehrer das Ziel bei diesem Schüler nicht erreicht hat).
Vom Loben mit Sternchen würde ich übrigens auch absehen, Stichwort Dressur …