KRITIK: Wir leben in einer „Rating Economy“. Alles und jeder wird irgendwo bewertet, selbst unsere kleinsten Äußerungen im Netz erhalten Smileys – oder eben auch keine. Digitale Feedbacktools sollen als nützliche Helferlein nun auch die Unternehmenskultur verändern. Können sie das?
Die Idee ist ja nicht neu. Schon lange wird uns erklärt, dass man erst einmal die Kultur eines Unternehmens analysieren, dann eine Zielkultur beschreiben und dann Maßnahmen ergreifen muss, um Veränderungen zu erwirken. Anschließend erfasst man die Wirkungen der Maßnahmen mit Umfragetools – wenn man sie nicht schon zur Analyse eingesetzt hat.
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Die Zukunft sieht nun rosig aus. Denn statt aufwändiger Umfragen kann sich jede Führungskraft ihr Umfragetool selbst zusammen basteln, per Smartphone den Mitarbeitern zur Verfügung stellen, diese klicken die vorgegebenen Antworten an und schon weiß die Führungskraft, ob ihre Maßnahmen erfolgreich waren. Das allerdings, so die Aussage eines Experten in der Wirtschaftspsychologie aktuell (Digitales Feedback), setzt „an einem relativ hohen Reifegrad von Mitarbeitern und Führungskräften an.“ Sowohl bei denjenigen, die das Feedback erhalten, weil sie die Fähigkeit zur Reflexion benötigen, als auch bei denjenigen, die Feedback geben. War das jemals anders?
Illusionen
Zwei Dinge fallen bei der Geschichte mit den ganzen Feedback-Tools auf:
- Die Hoffnung, mit diesen einen Kulturwandel unterstützen zu können. Weil sie zeitnah eingesetzt werden können und den „Kulturwandlern“ unmittelbare Rückmeldungen geben, was ihre Maßnahmen bewirkt haben.
- Die Hoffnung, dass mit einfach zu bedienenden Tools auch Feedback einfacher wird.
Ich bezweifle beides. Der Autor schreibt, dass die erste Annahme einen jahrelangen Veränderungsprozess voraussetzt, bei dem diese Tools dann helfen sollen, den Fortschritt zu messen. Wo wird denn Kulturwandel als jahrelanges Projekt betrieben? Das scheitert ja meist schon an den ständigen strategischen Neu-Ausrichtungen, da kommt man mit Feedback-Tools gar nicht hinterher.
Die zweite Hoffnung ist noch unrealistischer. Es mag zwar einfacher sein, ein paar Klicks abzusondern, als jemandem die eigene Meinung persönlich mitzuteilen. Aber man kommt um das persönliche Gespräch ohnehin nicht herum. Auch hier bekennt der Autor, dass „Präsenzformate“ wichtig sind. Seien es ein „Feedback Walk“, bei dem sich die Beteiligten über ihre Rückmeldungen austauschen, oder die Retrospektiven, bei denen Teams regelmäßig über die Erfahrungen der letzten Wochen oder gar Woche sprechen und auf diese Weise sich auch gegenseitig Feedback geben.
Controller-Neugier
Die digitalen Tools sollen dann zusätzlich als Helferlein eingesetzt werden, z.B. indem das Feedback, das man beim Feedback-Walk empfängt, in einem digitalen Notizzettel dokumentiert wird. Damit kann dann der Entwicklungsfortschritt gemessen werden. Mal ernsthaft: Wenn eine Kultur so weit fortgeschritten ist, dass sich Menschen im Team oder beim Spaziergang Feedback geben, dann brauchen sie wohl kaum noch eine digitale Dokumentation. Es sei denn, irgendwo sitzt der Personaler in seinem Cockpit und möchte mit Hilfe der elektronischen Dokumentation seine Schäfchen lenken und kontrollieren, bis sie so funktionieren, wie es seine Vision vorsieht.