PRAXIS: Corporate Identity – ein alter Hut? So wie Leitbild … Sprechen wir heute nicht lieber von Purpose (Managementaufgabe Purpose)? Mit Organisationsidentität, erläutern die Autorinnen in ihrem Beitrag (Wer sind wir?), wird eine soziale Identität benannt, also eine dynamische, sozial konstruierte: Die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen einzelner Mitarbeiterinnen bilden sie aus. Getrost darf man sich nach den Schnittstellen zu den Konzepten Organisationsklima, Organisationskultur oder Image fragen, die den BWL-Autorinnen nicht in den Blick geraten wollen. Nun, wenn ich mal von den theoretischen Spitzfindigkeiten und auch vom Unternehmensbeispiel, einer Agentur für Markenentwicklung, absehe, dann finde ich die vorgestellte ZMET-Methode doch interessant. Sie stammt aus der Marktforschung und ist leicht anzuwenden.
Es wird das an die Kundschaft kommunizierte Bild mit dem intern wahrgenommenen verglichen. „In Interviews wird über Bilder versucht, die wahren Bedürfnisse, Träume und Ängste von Konsument*innen sowie deren Wahrnehmung einer Marke aufzudecken.“ Es handelt sich folglich um eine analoge, projektive Methode, die von Harvard Professor Gerald Zaltman in den 1990er-Jahren entwickelt wurde. Deshalb steht ZMET auch für Zaltman Metaphor Elicitation Technique. Und die funktioniert so: Die Mitarbeiter werden im Vorfeld aufgefordert, ihre Gedanken und Gefühle zum Unternehmen zu notieren und dazu passende Bilder zu finden. Im Anschluss findet in neun Schritten ein Interview statt, das eine bis zwei Stunden dauern kann:
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- Storytelling: Wie ist die Geschichte hinter den Bildern?
- Lücke: Welches Bild fehlt oder ließ sich nicht generieren?
- Sortieraufgabe: Clustere die Bilder und benenne die Stapel!
- Exploration der Konstrukte: Wofür stehen die geclusterten Konstrukte?
- Repräsentanz: Welches Bild repräsentiert am besten die Gefühle?
- Gegensatz: Was wäre ein gegensätzliches Bild?
- Sensorische Bilder: Welche Sinne werden angesprochen?
- Mentale Karte: Illustriere die Verbindungen zwischen den Konstrukten!
- Collage: Kreiere ein Bild aus allen mitgebrachten Bildern.
Eine analoge, projektive Methode
Nun werden die Interviews ausgewertet. Es liegt auf der Hand, dass es hier die Masse (Menge) macht (Repräsentativität). Und dass es auch spannend sein kann, nicht nur interne, sondern auch externe Stakeholder zu befragen. Schließlich hat man nun etliche Collagen und transkribierte Interviews vorliegen sowie dutzende, explizit genannte Konstrukte. All dies wird nun geclustert, so dass sich ein großes Bild ergibt. Neben den Gemeinsamkeiten können auch unterschiedliche Sichtweisen zum Vorschein kommen. Letztere wären dann ggf. Anlass für weitere Maßnahmen.
Mir gefällt das analoge Vorgehen, die Arbeit mit Bildern und Metaphern sehr. Dadurch umgeht man Rationalisierungen und lässt den „Bauch“ (das Unbewusste) sprechen. Dies ist auch der Ansatzpunkt im Zürcher Ressourcenmodell (Ganzheitliches Selbstmanagement). Parallelen zur Erhebung der Unternehmenskultur nach dem sogenannten Eisbergmodell nach Ed Schein sind ebenfalls offensichtlich. ZMET passt ebenfalls gut zum Grounded-Theory-Ansatz, der besagt, dass Sinn in der Kommunikation gemeinsam produziert wird.
Nachteilig ist allerdings der sehr hohe Zeitaufwand und damit die beträchtlichen Kosten. Da würde mir aber eine elegantere Variante einfallen, die uns zuletzt Marcus Heidbrink im Webinar (KI in der Mitarbeiterbefragung) präsentiert hat: Der Einsatz von Natural Language Processing (NLP). Damit ließe sich die Befragung vermutlich zu einem Bruchteil der Kosten realisieren. Was dabei allerdings fehlen würde, wäre der Umgang mit den Bildern.