INSPIRATION: Corona und das Homeoffice haben die Arbeitswelt weniger männlich werden lassen. Ein seltsamer Satz? Bei genauerem Hinschauen aber dürfte etwas dran sein. Nicht nur, weil plötzlich Männer im Schlabberpulli vor dem Bildschirm sitzen. Während im Hintergrund die Kinder herumtoben und der Mann so etwas wie Privatleben zu haben scheint. Auch weil das informelle Netzwerk während und nach der Arbeit, z.B. beim Bier mit den Kollegen, an Bedeutung verloren hat.
Zeit, sich verstärkt Gedanken für männliche Normen und ihre Bedeutung für die Unternehmen zu machen, finden zwei Psychologie-Professorinnen aus den USA (Warum so männlich?). Und empfehlen ihnen, sich geltende Normen mal genauer anzuschauen, denn diese sind nach wie vor sehr männlich geprägt. Es sind bestimmte Werte, die traditionell mit Männern verknüpft werden, z.B. eigenständig, durchsetzungsstark, wettbewerbsorientiert, analytisch, risikofreudig, sich selbst vermarktend, entscheidungsfreudig usw. Dem gegenüber stehen die weiblichen Stereotype wie fürsorglich, kooperativ, anpassungsfähig, zurückhaltend, beziehungsorientiert, geduldig, demütig usw.
Anzeige:
Bleiben Sie souverän und gelassen bei Konflikten in Teams und Organisationen!
In unserer Ausbildung Wirtschaftsmediation lernen Sie, wie Sie Konflikte konstruktiv klären. Fordern Sie jetzt unverbindlich das Infomaterial zur Weiterbildung an.
Ja, schickt mir mehr Infos!
Vorschnelle Lösungen
Wo trifft man sie an und wie wirken sie sich aus? Bekannt ist der Einfluss bei Stellenanzeigen. So erhielt ein IT-Unternehmen auf eine Anzeige, in der eine talentierte und engagierte Person gesucht wurde, wenige Bewerbungen von Frauen. Als man nach einem Menschen suchte, der „von der Möglichkeit begeistert ist, durchdachte digitale Produkte mit nachhaltiger Wirkung zu schaffen“, stieg der Frauenteil bei den Bewerbungen deutlich an.
Es ist nicht damit getan, Frauen zu empfehlen, sich an den männlichen Normen zu orientieren. Das führt zu einem Paradox mit seltsamen Auswirkungen: Sagt man Frauen: „Ihr müsst euch mehr durchsetzen, riskiert doch mal was!“, hilft das überhaupt nichts. Eine Studie, bei der Frauen und Männer identische Präsentationen einer Geschäftsidee vor einer Jury hielten,
fanden die Juroren die Ideen bei den Männern deutliche faktenbasierter, überzeugende und logischer. Und ganz merkwürdig: Verhalten sich Frauen entsprechend männlicher Stereotype, bekommen sie das vorgehalten. Sie werden unter Druck gesetzt, ihren „Ton zu dämpfen und ihre starke Persönlichkeit zu mäßigen.„
Strukturen beachten
Ein Dilemma, das man nicht dadurch auflöst, die Sprache der Stellenanzeigen zu verändern. Und eben auch nicht dadurch, dass man Frauen empfiehlt, sich doch wie Männer zu verhalten. Sondern indem man Strukturen und Regeln aufspürt, in denen männliche Standards zum Ausdruck kommen. Die Professorinnen empfehlen, drei Fragen zu stellen:
- Wo gibt es bei uns männliche Normen? Dazu nimmt man sich die Liste der typisch männlichen Stereotype vor und begibt sich auf die Suche. Das könnte spannend werden. Ein Beispiel: Wer bei der internen Weiterbildung so etwas wie „Programmiererfahrung“ voraussetzt, bevorzugt Männer – einfach, weil diese schon an der Schule häufiger IT-Kurse belegen.
- Sind diese Normen sinnvoll? Um bei dem Beispiel zu bleiben: Vielleicht sind Neugier und Begeisterungsfähigkeit viel wichtiger für die betreffende Fortbildung.
- Lassen sie sich abschaffen oder ausgleichen? Immer noch an dem Beispiel: Den Programmierkurs kann man durch die Bezeichnung „… und kreative Problemlösung“ ergänzen, damit hat man die männliche Norm ausgeglichen.
Etwas praxisnäher: Schauen Sie sich mal Ihre Meetings an: Brauchen Sie diese überhaupt? Diese sind nämlich ein prima Nährboden für männlichen Standards (Stichworte: Wettbewerb oder Durchsetzung). Und wenn, dann führen sie so etwas wie Meldung per Handzeichen ein oder eine Reihenfolge, z.B. Meinungen werden reihum geäußert und nicht immer von den gleichen Teilnehmern, die sich in den Vordergrund spielen. Überhaupt: Ein Wechsel zwischen Präsenz- und Online-Meetings kann schon eine Veränderung herbeiführen, bei letzteren ist das mit dem Ausreden lassen einfacher.
Die Sache ist komplexer als man denkt, denn wie die Autorinnen schön zeigen, ist es nicht mit männlich und weiblich getan. In unterschiedlichen Kulturen gelten unterschiedliche Stereotype. So haben in den USA schwarze Frauen noch mit ganz anderen „Standards“ zu kämpfen. Ich fürchte nur, dass in stark männlich geprägten Unternehmenskulturen der Vorschlag, sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen, eher keine große Begeisterung auslöst…