REZENSION: Dirk W. Eilert – Integratives Persönlichkeitscoaching mit emTrace. Heldenreise und Emotionscoaching. Junfermann 2024.
In der einschlägigen „Szene“, aber sicherlich auch schon (weit?) darüber hinaus, ist Dirk Eilert – vereinfacht gesprochen – durch zwei sich durchaus gegenseitig bereichernde Themenfelder in Erscheinung getreten: Zum einen mit „Mimikresonanz“. Einer Technik, um kurzzeitige Mikroexpressionen im Gesichtsausdruck zu erkennen und idealerweise für die eigene (non)verbale Kommunikation zu nutzen. Das basiert auf der einschlägigen Forschung von Ekman & Friesen und anderen wissenschaftlichen Autoren. Zum anderen mit „Emotionscoaching“. Einer Technik, emotionale Veränderungsprozesse gezielt im Coaching nutzbar zu machen.
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Für beide Bereiche hat der Autor schon eine ganze Reihe an Büchern veröffentlicht. Zum Teil eher allgemeinverständlich gehalten für eine breit gefasste, „populäre“ Zielgruppe. Zum Teil anspruchsvoller, wissenschaftlich geschrieben. Und das hier vorgestellte Buch lässt sich rasch einordnen in die zweitgenannte Kategorie: Emotionscoaching vom Profi für (angehende) Profis. Und wer sich bereits zuvor mit den Werken Eilerts beschäftigt hat, wird auch hier im Buch einige durchgängige Charakteristika wiederfinden:
- Die Leserinnen und Leser durchgängig und oft direkt anzusprechen, auch durch eingängige Beispiele.
- Viel Wert auf eine ansprechende Optik bei der Darstellung zu legen – und dafür mit dem Junfermann-Verlag einen ambitionierten Partner gefunden zu haben.
- Gut darin zu sein, Labels wie emTrace, Mimikresonanz, Wholeception und Story-Resourcing zu erfinden, mit Copyrights zu belegen und konsequent zu „bespielen“, also mit intellektuellem Leben zu befüllen.
- Immer wieder Neues zu beschreiben, und dabei wiederholt selbst entwickelte Grundlagen wie den „Motivkompass“ der vier neurobiologischen Grundmotive konsequent zu verwenden.
- Sehr viel wissenschaftliche Literatur zu „monitoren“ und viele, dazu meist aktuelle Studien in die Darstellung miteinfließen zu lassen.
Archetypische Grundmuster
Zusammengefasst basiert dann das hier vorgestellte Buch zunächst einmal auf der bereits bekannten Tradition des „Story-Tellings“, das bekanntlich die Neurobiologie in besonderer Weise anspricht und dadurch zum kollektiven Gedächtnis der Menschheit beiträgt. Konkreter steht – wie im Titel bereits angekündigt – die sogenannte „Heldenreise“ im Mittelpunkt. In der Tradition von C. G. Jung und insbesondere Joseph Campbell basiert sie auf den archetypischen Grundmustern von Leben, Entwicklung und persönlichem Wachstum und setzt sich aus zwölf Stationen zusammen:
- Der Held (stets als „m/w/d“ gemeint) befindet sich noch in seiner gewohnten Welt
- Er erhält den Ruf des Abenteuers
- Er zögert oder verweigert zunächst den Ruf
- Er überschreitet die erste Schwelle und begibt sich in die Welt des Abenteuers
- Er trifft einen ermutigenden Mentor
- In der Welt des Abenteuers warten Bewährungsproben, Verbündete und Feinde auf ihn
- Er dringt vor bis zur tiefsten Hölle, die er als zweite Schwelle überschreiten muss
- Der Held stellt sich der entscheidenden Prüfung
- Nach dem Sieg nimmt er die Belohnung an sich und ergreift sinnbildlich das Schwert
- Er tritt den mit weiteren Herausforderungen verbundenen Rückweg an und überschreitet damit die dritte, letzte Schwelle
- Der Held erlebt seine Auferstehung und wird durch diese Erfahrung grundlegend verändert
- Der Held kehrt mit seinem Elixier, seinem Schatz oder sonstigen Ressourcen in seine gewohnte Welt zurück, beendet damit die Heldenreise – bis das nächste Abenteuer ruft
Diese zwölf Stufen werden dann in der Folge ausführlich beschrieben und bilden damit den eigentlichen Kern des Buches. Darin eingeflochten sind viele kundige Techniken aus der Neuro-Wissenschaft samt Motiv-Forschung, Ressourcen-Hinterfragung samt Johari-Fenster oder Wertekompass samt Realitätscheck.
An der Grenze zur Psychotherapie
Daraus ergibt sich aber auch in den Augen des Rezensenten der zentrale „Knackpunkt“ dieses Buches: Das Konzept ist ganz offensichtlich vorgesehen (nur) für anspruchsvolle Coachingprozesse, bei denen das Ich-Konzept als integrierte Persönlichkeit angesprochen und ausgeformt oder aktualisiert werden soll; einschließlich einer Stärkung des Selbstwertes. Diese bewegen sich dann automatisch recht nah an der Grenze zur Psychotherapie, tauchen allemal stark in die Tiefe der Persönlichkeit ab. Dabei erinnert sich der Rezensent an ungezählte eigene Coachings, die sich – mit guten Gründen (Stichwort: Auftragsklärung!) viel stärker auf operative bis strategische Business-Themen des Klienten konzentriert haben – zu seiner/ihrer vollsten Zufriedenheit.
Und selbst wenn man nun aus der Fülle von Coachingprozessen und -themen gezielt den Ausschnitt „Persönlichkeitscoaching“ herausgreift und das hier besprochene Buch maßgeblich auf diese Teilmenge fokussiert, dürfte die explizite Heldenreise wiederum nur eine mögliche Intervention unter etlichen anderen Coaching-Techniken darstellen, zu denen ja bereits eine nur noch schwer übersehbare Fülle an Literatur generiert wurde. Doch auch wenn man diese nicht unerhebliche Einschränkung zumindest zwischenzeitlich ausblendet, verbleibt noch eine weitere Hürde auf dem Weg in die Praxis:
Das Buch beschreibt anschaulich und kenntnisreich, wie eine solche Heldenreise idealerweise ausgestaltet werden sollte, welche Phasen darin vorzusehen sind, welche Dialoge sich ergeben können etc. ABER: Zumindest als Novize im Thema kann man sehr rasch an einen Punkt kommen, bei dem der Coachingprozess vom vorgesehenen „Drehbuch“ abweicht: Was mache ich, wenn mein Coaching-Held eben nicht eine der vorgesehenen Schwellen überschreitet, sondern sich zurückflüchtet in alte, möglicherweise dysfunktionale Verhaltensmuster? Oder wenn sich auch nach ausgiebiger Suche eben kein kraftvoller Mentor à la „Obi-Wan Kenobi“ finden lässt, der mich im Sündenpfuhl von Mos Eisley „herauspaukt“?
Damit stößt das Konzept offensichtlich an die – sicher ein Stück weit unvermeidbaren – Grenzen, die ein Buch nun mal aufweist: Die – plausible – Lektüre eines idealtypischen Vorgangs allein macht noch keinen Meister. Vielmehr dürfte es sich mehr als begleitendes Lehrbuch eignen, um anspruchsvolle Coaching-Techniken wie die Heldenreise im möglichst geschützten Rahmen zunächst einmal auszuprobieren und dann in reguläre Coachingvorgänge miteinfließen zu lassen. Erst dann – also mit Hintergrundwissen UND Praxiserfahrung – dürfte sich der ganz offensichtlich gegebene Mehrwert dieses Werkes vollumfänglich realisieren lassen.