11. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Kapitulation vor der KI?

KRITIK: Was braucht man, um ein Gehirn zu verstehen? Das hat Heinz von Foerster, Nestor der modernen Systemtheorie, gefragt. Und seine Antwort lautete: Ein Gehirn. Was braucht man, frage ich mich, um KI zu verstehen?

Sophie von Saldern (Hysterie, Utopie oder Dystopie?) ist Global Head of Human Resources der Covestro AG. Und sie ist der Meinung, dass Künstliche Intelligenz die Schnittstelle zwischen HR und den internen Kunden – den Mitarbeitenden und Führungskräften – disruptiv verändern wird. Na, das ist doch mal eine Ansage! Keine Frage: 2024 ist das Jahr der KI-Anwendung. Es wird sich entscheiden, ob top oder hopp.


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Die Autorin beginnt versöhnlich: „Dies wird kein Abgesang auf die menschliche Arbeit.“ Na, da bin ich aber beruhigt. Zu der Zeit, als ich als Werkstudent in Aspirin-City tätig war, war menschliche Arbeit noch eine andere Nummer. „Denken überlässt man den Pferden, sagte mein Schichtmeister zu mir, die haben den größeren Kopf!“ Ich dachte, ich falle vom Glauben ab: Ich hatte gerade mein Abi bestanden … Spinnt der? Heute, ein paar Jährchen später, erzähle ich meinen Studierenden gerne diese Anekdote, um ihnen den Geist des Taylorismus nahe zu bringen.

Sind Mitarbeitende second best?

Die Autorin erzeugt den Eindruck, dass Mitarbeitende sich durch KI-Einsatz stärker persönlich betreut und unterstützt fühlen als derzeit durch HR-Kolleg:innen. Man, was für eine Klatsche für HR! Da möchte ich doch nicht arbeiten wollen, wenn mir meine Chefin dermaßen ins Kreuz tritt. „Das Besondere an der KI ist die individualisierte Begleitung von Mitarbeitenden, die von der Erstellung von individuellen Entwicklungsplänen bis hin zur On-The-Job-Coaching reichen kann.“ Jesses! Das tut weh!

Und noch ein Hammer: „Denken wir beispielsweise an Führungskräfte, die sowohl an das Führen von Gesprächen mit Teammitgliedern erinnert als auch durch individualisierte Gesprächsleitfäden unterstützt werden.“ Die Anforderungen an Führungskräfte bei Covestro scheinen nicht besonders hoch zu sein, wenn man Arbeitsentlastung, „optimiertes Führen und vereinfachte Prozesse“ dort derart bündeln muss. Wobei: „Die KI ist ein Hilfsinstrument und muss als solches begriffen werden. Sie ersetzt keinen Menschen, sondern sie entlastet den Menschen.“ Doch was soll ich mir bei folgendem Satz denken: „Vorerst wird der Mensch noch eine Weile die letzte Instanz sein, der die finale Entscheidung trifft“?

KI übernimmt

„Vorerst“! – Halleluja! Also demnächst brauchen wir keine Führungskräfte mehr (Keine Grenzen mehr)? Die KI übernimmt offenbar in Kürze. Irritierte Frage: Welche Sorte Tee hat die Dame gerade getrunken? Ich fasse es nicht: Die EU hat gerade den EU-AI-Act (AIA) verabschiedet, der verlangt, dass Menschen letztverantwortlich KI steuern müssen, dass klar sein muss, wie KI zu Lösungen kommt. Und dann solche Äußerungen einer Global Head of Human Resources? Ich bin mehr als irritiert. Und es ist ja nicht so, dass ich der erste wäre, der vor solchen Gefahren warnt (Wenn der Schwanz mit dem Hund wedelt).

Ich maße mir nicht an, die Diskussionen und Experimente, die backstage bei Covestro laufen, zu beurteilen. Ich vermute nur, dass das nicht emotionsfrei abgeht. Wenn dann aber die Chefin sagt: „Die Expertise, die durch ein jahrelanges Studium erarbeitet wurde, erscheint durch Knopfdruck ersetzbar zu sein,“ frage ich mich: Ob die Chefin auch bereit ist, diese Aussage auf sich selbst anzuwenden? Wie uns das Personalmagazin im Beitrag mitteilt, hat die Dame neben einer professionellen Basketballkarriere auch einen akademischen Abschluss als Diplom-Ökonomin sowie einen Master in Arbeits- und Organisationspsychologie vorzuweisen. Es wäre ein Leichtes, die Frage aufzuwerfen: „Woran erkennen Sie, dass …?“ Oder gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Demnächst übernimmt eine KI die Personalfunktion bei Covestro! Macht das Sinn?

Mama mia!

„Solche Veränderungen bieten auch Chancen. So können sich die HR-Business Partner stärker auf Aufgaben fokussieren wie Coaching oder die Diskussion strategischer Fragen mit Führungskräften, Workshop-Moderation und Durchführung.“ Nun wird doch gerade heiß diskutiert, ob KI auch coachen kann (Coaching ohne Coaches). Was bleibt denn dann für die Führungskräfte? Zum Basketballspielen sind viele doch inzwischen zu alt … Wollen wir das nicht einmal in einem WebTalk bei MWonline diskutieren, werte Frau von Saldern?

Einen Beitrag weitergeblättert erfährt die Leserschaft dann von der Informatik-Professorin Katharina Zweig im Interview („KI beurteilt manchmal nach belanglosen Kritierien“), dass eine KI nicht intelligent ist. Und dass der Preis für ihren Einsatz Mängel bei Zuverlässigkeit und Nachvollziehbarkeit bedeuten. Ist man in einem Chemiekonzern oder anderswo bereit, diesen Preis zu zahlen? Und auch die gravierenden juristischen Fallstricke – Diskriminierungsverbot, Datenschutz und Mitbestimmung – in Kauf zu nehmen (HR und KI: Wo die rechtlichen Fallen lauern)? Also ich hätte da Bauchschmerzen.

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