9. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Kulturentwicklung: quadratisch, praktisch, gut?

KRITIK: New-Work braucht einen Kulturwandel. Oberflächlich betrachtet – mit Flexibilität bei Arbeitsort- und -zeit – kommt man nicht weit. Es braucht Empowerment. Das ist anspruchsvoll. Aber unumgänglich. – Wenn da nicht jemand eine Abkürzung gefunden hätte …

„Damit New-Work-Konzepte ihre Wirkung entfalten können, braucht es eine Kultur der Menschlichkeit.“ Ich bedauere, wenn ich solches lesen, stellen sich bei mir justament die Nackenhaare auf – obwohl (oder gerade, weil) es schwer auf Weihnachten zu geht. Autorin Bettina Hoffmann-Ripken (Kulturentwicklung hin zu New Work) könnte sich gerne über Humanismus auslassen. Denn wir wissen natürlich längst: „Der Mensch ist Mittel. Punkt!“ (Oswald Neuberger). Mehr als 500 Jahre nach Erasmus von Rotterdam könnte es nicht schaden, an zivilisatorische Basics zu erinnern. Tut sie aber nicht.


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Ihr Ansatz ist ein anderer: „Das Problem ist, dass die meisten Unternehmen, die die Konzepte von New Work versucht haben einzuführen, nicht verstanden haben, dass es sich hier um einen profunden Kulturwandel handelt – dass die Konzepte allein nichts nützen, wenn nicht gleichzeitig damit ein Kulturentwicklungsprozess verknüpft wird.“ Nun, das mag man unterschreiben, wenn man sich die aktuellen Daten des New-Work-Barometers anschaut (New Work konsolidiert sich – doch). Wie schon in den Jahren zuvor zeigt sich das Bild, dass die Unternehmen halbherzig zu Werke gehen: New Work wird auf Flexibilität bei Arbeitsort- und -zeit reduziert. Und von den vier Empowerment-Dimensionen betonen die Unternehmen überwiegend Selbstbestimmung und Kompetenzentwicklung. Die Mitarbeitenden sollen initiativ werden und kompetent handeln. Aber bei Einfluss/Macht und Sinn sind die „Herrschaften“ knickrig (Wasch‘ mir den Pelz, aber …).

Zynismus

Autorin Hoffmann-Ripken knüpft am Empowerment-Konzept gar nicht an. Sie diagnostiziert stattdessen ein vages Verständnis im Business: Häufig definieren die Unternehmen sogenannte New-Work-Werte, die sie leben wollen, wie beispielsweise Offenheit, Mut, Respekt, Vertrauen und Selbstverpflichtung oder Ähnliches.“ Wenn solches in den Unternehmen postuliert werde, löse das „bei den Mitarbeitenden eher Zynismus aus als Motivation“. Weil in deren Augen es offenbar ein sehr weiter Weg vom Ist zum Soll sei.

Nun, das ist nachvollziehbar: „Werte entstehen nicht, in dem sie definiert werden“. Das hatten wir schon: „Holz entzündet sich nicht dadurch, dass jemand das Wort Feuer auf ein Stück Papier schreibt und daneben legt“ (Am Lagerfeuer). Es braucht eine Kulturentwicklung.

„Kultur der Menschlichkeit“

Die „Kultur der Menschlichkeit“ bestehe aus sieben Teilkulturen, sagt die Autorin: Fehler-, Konflikt-, Verantwortungs-, Persönlichkeitsentwicklungs-, Empathie-, Feedback- und Achtsamkeitskultur. „Dabei wurde für die Entwicklung des Modells ‚Menschlichkeit‘ aus verschiedenen theoretischen Perspektiven betrachtet: mithilfe der integralen Theorie nach Ken Wilber – aus evolutionstheoretischer sowie neurobiologischer Sicht und der Perspektive der emotionalen und kognitiven Intelligenz.“

Auwei, denke ich, nicht New Work, sondern New Age! Der US-Amerikaner Wilber (Master in Biochemie) behauptet, eine „Theorie von allem“ entwickelt zu haben und lehrt die „Integrale Spiritualität“. Darin beruft er sich auch auf die Entwicklungsstufentheorie von Clare W. Graves („Es muss doch irgendwie weitergehen …“). Wilber ist – auch wissenschaftlich – arg umstritten.

Solches scheint die Autorin Hoffmann-Ripken nun nicht zu kümmern. Sie hat sich da offensichtlich ihr eigenes Modell zusammengebastelt: „Wenn diese sieben Teilkulturen so ausgestaltet werden, dass sie Dialog und Lernen fördern, entstehen genau die Werte, die notwendig sind, um die angestrebte Wirkung von New Work voll zu entfalten.“ – Ein Kausalschluss: Wie war das noch mal mit … das Wort Feuer auf dem Stück Papier neben dem Holz?

Kai aus der Kiste (Kinderroman von Wolf Durian, 1926)

Wenn denn nur die Unternehmen das einmal verstehen würden, so die Autorin, dass Kultur mit Verhalten und Betriebsergebnis zusammenhänge. Etliche machten den Eindruck der Hilflosigkeit beim Thema. Man mag dieser Behauptung sogar zustimmen – ohne dass man ihr Konzept für des Rätsels Lösung halten müsste. Schließlich gibt es andere, längst etablierte Kulturkonzepte wie das Drei-Ebenen-Modell von Ed Schein (Artefakte – Werte – Basisannahmen) oder das „Denison Organizational Culture Model“, das auf dem „Competing-Values-Ansatz“ aufbaut (Gehirnwäscherei?). Insbesondere den Zusammenhang von Organisationskultur und New Work hat die Arbeitsgruppe um Carsten Schermuly erforscht (Dosenöffner für das agile Mindset?). Die Forscher haben sogar ein Messinstrument für die Psychological Empowerment Culture (IMPEC) entwickelt.

Stattdessen: „Ken“ (Wilber) aus der Kiste. Dessen „Geheimrezept“ ist eine Vierfeldertafel, die sich durch die Kombination der Dimensionen subjektiv/objektiv sowie individuell/kollektiv ergibt, und mit der er – wie schon gesagt – die ganze Welt erklären möchte. Und so versucht Autorin Hoffmann-Ripken ihrer Leserschaft auch das Thema Organisationskultur zu erklären:

  • „Kultur muss von der obersten Führungsebene als ein wesentlicher Erfolgsfaktor betrachtet werden und gewollt sein.
  • Die oberste Führungsebene muss die vier Räume der Transformation verinnerlichen.
  • Die oberste Führungsebene muss bereit sein, bei sich anzufangen und sich selbst in einen Lernprozess zu begeben.
  • Es bedarf einer Verankerung in der Strategie mit Bereitstellung von entsprechenden Ressourcen.“

Ich denke, ich muss das nicht weiter kommentieren … Vielleicht noch so viel: Es kommt natürlich auf die Haltung (Das gewisse Etwas) und das Mindset (Gehirnwäscherei?) an! Und: „Um glaubwürdig zu sein, braucht es ebenfalls die Bereitschaft, sich von Menschen zu trennen, die diesen Weg nicht mitgehen wollen.“ – Klingt nach einer beliebten Praxis der Immunisierung gegen Kritik aus dem Sektenmilieu: Die sind nicht gut für Dich …

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