INSPIRATION: Alle jammern über Fachkräftemangel. Und in der Tat gibt es den – an allen Ecken und Enden wird er offensichtlich. Doch was, außer Jammern, können die Unternehmen? Und was tun sie? Suchen sie wirkliche Meister? Oder nicht doch die Klonkrieger von der Stange?
Autor Gunter Dueck (Unternehmen haben nur Verständnis fürs Mittelmaß), Mathematikprofessor, ehemaliger Manager der IBM Deutschland und einer der bekanntesten Vordenker im deutschsprachigen Raum, Spitzname: „Wild Duck“, macht den Party-Schreck und setzt noch einen obendrauf: „Fachkräfte – im Sinne von wirklichen Könnern beziehungsweise ‚Meistern ihres Fachs‘ – werden in den meisten Unternehmen nicht wirklich wertgeschätzt, geschweige denn, dass sie verstanden werden. Ja, sie werden noch nicht einmal erkannt oder gesucht.“
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Starker Tobak! Begründung? In den Unternehmen zählen nur Zahlen, Stempel und Impression Management. Man sucht folglich Leute, die ins System passen. Nicht solche, die das System auch in Frage stellen, weil sie neue Ideen haben und Chancen wittern. Dueck bringt es auf den Punkt: „Die Unternehmen verwechseln Könner nämlich zum einen mit Gesellen, also Personen, die einfach nur erfahren sind. (…) Zum anderen verwechseln sie Könner mit Experten, also mit Menschen, die vor allem die Kernkompetenz haben, auch ohne googlen viel zu wissen.“ Unternehmen suchen Mittelmaß.
Wahre Könner machen ihnen Angst. Oder sie halten sie für abgedrehte Nerds, die man bloß belächelt.Exploitation: die sichere Bank?
Es gibt keine „Meisterklassen“ in Unternehmen, allerhöchstens „Accelerator Programs“. Gute Personalentwicklung kostet Zeit und Geld. Copy and Paste ist einfacher – und billiger. Aber noch schlimmer: Lässt man die Mitarbeiter:innen sich mal so richtig austoben, kommen sie nachher noch auf „dumme Gedanken“, fangen an zu experimentieren, verbrennen also Geld – ganz schlecht! Exploitation ist die sichere Bank. Exploration ist kritisch. Ambidextrie ist halt nur so ein modernes Buzzword. Aber nichts für zahlengläubige Manager (Zahlenzirkus im Management), die heute an den Schalthebeln der Macht sitzen.
Dueck, der Schelm, liefert gleich einen Beweis für seine These, indem er die Wagner-Oper „Meistersinger von Nürnberg“ zitiert. Kennt die jemand? Gibt es heute Leute, deren Interessen so weit aufgefächert sind, dass sie sich mit Opernmusik beschäftigen? In besagter Oper obsiegt zum Schluss der authentische Meister über die Mainstream-Barden. Wie schön! In Zeiten von Spotify & Co. ist das allerdings Schnee von gestern. Indi(pendence) ist out und verzieht sich in die Nische. Die Masse hört Kaugummi-Pop: Leute kauft Sch…, Millionen Fliegen können nicht irren! Das ist bitter und böse. Natürlich gab es Mainstreaming schon früher. Aber in Zeiten von Social Media mischt jemand anders die Karten als die Plattenfirmen. Der Algorithmus, wo jeder mitmuss, hat eine brutale Tendenz zur Mitte.
Zurück zum Thema Fachkräftemangel: Unternehmen werden nur innovativ, so der Autor, wenn sie Könner suchen, ihnen Handlungsspielraum geben und eine Kultur des kreativen Experimentierens pflegen. – Wie wahr.