KRITIK: Ein Thema ist plötzlich wieder da: Outplacement. Nicht zu fassen! Haben wir nicht Fachkräftemangel? Und überhaupt: Arbeitskräftemangel? Warum sollten Unternehmen also Top-Mitarbeitende entlassen? Was ist da los?
Da passt folglich einiges nicht zusammen. Aber vielleicht bin ich ja auch auf einem Auge blind? Vermutlich auf dem konjunkturellen. Offenbar geht es einigen Unternehmen gar nicht so gut. Deshalb entlassen sie Mitarbeitende. Oder weil sie den Laden umbauen müssen. Und zuletzt soll es da auch Unternehmen geben, die glauben, mit KI das Geschäft (besser) betreiben zu können.
Verheerende Konsequenzen
Wie auch immer. Eins ist klar: Unter der Mitarbeitendenentlassung leidet brutal die Marke. Sie verliert an Wert. Und zwar um durchschnittlich 18 Prozent, referiert der Autor (Neu geerdet zum neuen Job) im Personalmagazin eine Studie. Es dauert Wochen, bis man sich davon wieder erholt hat. Auch die Arbeitgebermarke leidet: um durchschnittlich 11 bis 25 Prozent. Und dieser Schaden lässt sich nicht so leicht reparieren. Er hinterlässt eine lange, lange Bremsspur. Nicht nur extern auf dem Arbeitsmarkt. Auch intern riecht es an jeder Ecke nach Angst.
Es sei denn, die Unternehmen haben die Transformation klug vollzogen: Es wurden soziale Kriterien berücksichtigt, der Prozess gut kommuniziert und Wertschätzung gegenüber den Betroffenen ausgedrückt. Und hier kommen offenbar (jedenfalls nimmt der Autor diese Kurve) Out- und Newplacement ins Spiel. Wobei solche Erkenntnisse natürlich überhaupt nicht neu sind.
Die Kündigung (man könnte auch sagen: Die einseitige Aufkündigung eines psychologischen Vertrages; aber das wäre noch einmal ein anderes Thema) hinterlässt in der Regel Spuren (auch) bei den Gekündigten. Zumeist ist deren Selbstbewusstsein empfindlich angeknackst. Oft nehmen sie den nächstbesten Job an, um nicht im Regen zu stehen. Was alsbald wieder zu Kündigungen in der neuen Company führt. Eine ungute Entwicklung für alle Seiten. Besser wäre es, die Geschassten nähmen sich zunächst eine Auszeit, um die Kündigung aufzuarbeiten und eine gute, neue Perspektive zu entwickeln. Gelingt dies, sind sie auch nach zwei Jahren noch im neuen Job.
Newplacement-Beratung differenziert sich aus
Das klassische Outplacement gibt es auch noch: Bewerbungsunterlagen pimpen, Bewerbungsstrategie erarbeiten, Vorstellungsgespräche üben. Doch es kommen neue Formen hinzu: Coaching beispielsweise. Auch nicht neu, doch da findet nun auch das allgegenwärtige Thema Sinnfindung seinen prominenten Platz. Und deshalb sprechen wir auch gar nicht mehr von Outplacement, sondern von Transition, so der Autor. – Was für ein wunderschönes Wort … Ist nicht das ganze Leben eine Reise?
Genau! Deshalb will solches ganzheitlich angegangen werden. Also nicht vorschnell kontraktieren. Sondern – Pause! – beispielsweise zurück zur Natur: Ab geht’s auf die Hochalm zur Heuernte. Da spürt man dann abends die Knochen, atmet die gute Bergluft ein und schläft wie ein Stein. Erden nennen das manche. Und dann kommen auch noch Gruppen- und Einzelcoachings hinzu. Die kreisen um die Themen Glück, Generativität und Werte. So soll eine wirklich fundierte Neupositionierung gelingen. Und dann schließt sich noch eine längere Follow-up-Begleitung der Reisenden an.
Ein altes Tabu in der Outplacement-Beratung kann dann im Pioniergeist auch gleich fallen: Die vom Autor recherchierte Beraterin nutzt auch ihre Unternehmenskontakte oder die zu Headhuntern, um die Beratungskunden unterzubekommen. Da kann man dann doppelt verdienen, lautet die Branchenkritik seit Jahrzehnten: erst Out-, dann Newplacement. Dass man dann aber nicht mehr unvoreingenommen sein kann. Der Autor nennt das Inverses Headhunting, „bei dem nicht ein Headhunter Kandidaten zu einem offenen Profil sucht, sondern umgekehrt ein Outplacement-Berater nach potenziellen Positionen für das Profil einer Klientin oder eines Klienten.“
Demokratisierung
Der nächste Schritt ist absehbar: Man zieht all dies auf eine digitale Plattform. So kann man das auch Jobsuchenden mit schmalerem Beutel anbieten. Der Anbieter sortiert und kuratiert sein Angebot nach Schritten im Newplacement-Prozess und bietet zudem einen Onlinetutor als Unterstützungsfunktion an. Auch Coaches kann man dann noch auf die Plattform aufschalten. Win-win-win lässt grüßen. Man nennt das heute gerne Demokratisierung. Früher hieß das Massentauglichkeit. Ehrlicher wäre vermutlich der Begriff Skalierung, der jedes BWLer-Herz per se höherschlagen lässt.
Und, da schau an, ein Trend muss noch erwähnt werden: Offensichtlich nutzen etliche Kandidaten die Transition auch dazu, die eigene Selbstständigkeit vorzubereiten. Tja, auch das ist nicht neu. Vermutlich will da die eine oder der andere auch gleich Job-Coach werden. Ebenfalls keine neue Entwicklung. Als ob es davon nicht schon mehr als genug geben würde.
Mal ein bisschen nachdenken
Doch eine Sache beschäftigt mich immer noch: Warum meint man unter den Bedingungen von Fachkräftemangel, auf die Leistungsträger im Unternehmen verzichten zu können? Eine Antwort lautet: Weil man sie immer schon chronisch unterschätzt hat. Das wäre bitter (Zwischen den Stühlen). Vor allem wenn man dann im Gegenzug auf den zwielichtigen Gesellen KI setzt (Kapitulation vor der KI?). Oder – Alternative – sollten sie tatsächlich nicht das Zeug zur Mehrwertgenerierung haben? Aber warum hat man dann nicht rechtzeitig mit Führungskräfteentwicklung gegengesteuert?
Vielleicht ist es auch weniger spektakulär: Im Rahmen der Suche nach Schuldigen sind sie mal wieder an der Reihe (Mieser Ruf?). Und die Konsequenz wäre dann auch mal wieder klar: Die armen Mitarbeitenden sollen den Job der Führungskräfte kompensieren durch Mehrarbeit. Man nenne das aber bitte (!) nicht Empowerment (Mit Empowerment zu New Work). Es wäre das glatte Gegenteil.