25. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Purpose

KRITIK: Eine neue Management-Mode oder endlich die wahre Erkenntnis, warum einzelne Unternehmen besonders erfolgreich sind und andere weniger? Nun wird uns also die „Purpose Driven Organisation“ angeboten und natürlich auch gleich jede Menge Rezepte, wie ein Unternehmen dorthin gelangt. Die Kritiker stehen auch schon bereit, und das Personalmagazin lässt beide Seiten zu Wort kommen. Übrigens eine interessante Mischung aus Berater-Artikeln, wissenschaftlicher Betrachtung und polemischer Auseinandersetzung. Ich versuche mich mal an der Integration der Ansätze.

Vielleicht mal etwas Grundsätzliches vorweg: Unternehmen, die Profitmaximierung als einzigen Zweck angeben, würden sicherlich Irritation auslösen (S.Kühl). Aber schon hier stutze ich: Wie war das noch mit dem Shareholder Value? Ging es da nicht ausschließlich darum, den Wert des Unternehmens zu steigern, um den Aktionär glücklich zu machen? Dann wäre ja die Erkenntnis, dass das nicht alles sein kann, die Basis für den neuen Trend. Statt Shareholder Value nun die „Purpose Driven Organisation“.


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Vielleicht hilft ein Blick in das Fallbeispiel von Boston Consulting (Senktrechtstart nach Notlandung). Die berühmte Geschichte von Delta Airlines, die kurz vor dem Desaster stand und nun eine der erfolgreichsten Airlines der Welt sein soll. Das Management versammelte tausende Mitarbeiter in einem Hangar, präsentierte den neuen Purpose „Lift the World“, zeigte einen emotionalisierenden Film und leitete so die Wende ein. Und dann passiert, was in solchen Fällen immer geschieht: Aus dem erfolgreichen Fallbeispiel wird ein Muster abgeleitet und zu einem schönen Beratungsprodukt weiter entwickelt. Kernstück: Ein Unternehmen besinnt sich auf „das innere Anliegen, das alle Handlungen treibt und alle Mitarbeiter beseelt.“

Wie kommt man an diesen Kern? Indem man sich die Historie anschaut und fragt, was der Gründer eigentlich wollte. Und worin man eigentlich am besten ist. Und stellt fest: Huch, wir transportieren Reisende von A nach B, und zwar durch die Luft. Das können wir am besten und das wollte wohl auch unser Gründer. Irgendwie haben wir das aus den Augen verloren und machen – ja was denn?

Hier scheint mir das Missverständnis zu liegen. Solange Unternehmen erfolgreich sind, muss sich keiner über den „Purpose“ Gedanken machen. Aber wenn es abwärts geht und man feststellt, dass man offenbar in der Bürokratie erstickt, den Kunden aus den Augen verloren hat und sich nur noch mit sich selbst beschäftigt bzw. die Mitarbeiter in erster Linie für ihre Vorgesetzten da sind und im schlimmsten Fall Dienst nach Vorschrift tun, dann kann es nicht schaden, sich mal daran zu erinnern, womit man eigentlich sein Geld verdient. Da würde es auch reichen, wenn sich das Management hinstellt und erklärt, dass es ziemlichen Mist gebaut hat und sich nun wieder um das eigentlich Wichtige kümmern will: Nämlich das Problem, das man für seine Kunden zu lösen versprochen hat.

Also alles Quatsch mit dem „Purpose“? Nicht ganz. Heiko Weckmüller hat sich umgeschaut, wie es denn mit wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu aussieht (Corporate Purpose…). Gemeint sich dabei nicht die „Berater-Studien“ nach dem Motto: Unternehmen mit einem formulierten Sinn sind wirtschaftlich X% erfolgreicher als andere. Das sind typische Mittelwertvergleiche, die aus zwei parallelen Ereignissen eine Kausalität ableiten.

Eine Studie von Gartenberg et al hat sich der Sache wissenschaftlich angenommen und findet keinen Zusammenhang zwischen diesem Purpose und dem Unternehmenserfolg. ABER: Es gibt einen Zusammenhang zwischen „purpose clarity“ und Erfolg. Das heißt: Wenn Mitarbeitern der Sinn dessen, was sie tun, klar ist, engagieren sie sich mehr, und das wiederum hat natürlich Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Nicht wirklich erstaunlich, auch nicht die Schlussfolgerung, die Weckmüller hieraus zieht: Ob ein Mitarbeiter seine Arbeit als sinnvoll erlebt, hängt von vielen Faktoren ab, die meisten haben etwas mit Führung zu tun. Aber das war schon immer so, und die Empfehlungen hierzu sind alles andere als neu. Und vermutlich benötigt man dazu keinen großen „Purpose-Prozess“ auf Unternehmensebene.

Es sei denn, das Unternehmen ist kurz vor dem Untergang. Und selbst da könnte es sein, dass ein solcher Prozess nicht weiterführt. Was, wenn der Zweck, den der Gründer mal vor Augen hatte, einfach keiner mehr ist? Wenn kein Mensch mehr fliegen will, hilft auch „Lift the World“ nicht weiter…

Einen ganz anderen Aspekt betont Kühl im interview. Mit Blick auf die Start up-Szene fürchtet er, dass das Gerede vom Purpose einem viel fieseren Zweck dient: Wenn Mitarbeiter damit motiviert werden sollen, dem Zweck zu dienen, sich mit ihm zu identifizieren und ganz in ihm aufgehen sollen, dann spart das Unternehmen eine Menge Geld. Im besten Fall muss eine Organisation gar keine Gehälter zahlen, im Gegenteil, ihre Mitglieder sind sogar bereit, Geld mitzubringen. So funktionieren Sekten. Wenn dieses Kalkül hinter dem Trend der „Purpose Driven Organisation“ steckt – und das ist bei Start ups sicher nicht ganz abwegig, Stichwort „Gierige Organisationen“ – dann sollte man in der Tat skeptisch an die Sache herangehen.

Er weist übrigens auf die Ähnlichkeit des Ansatzes mit den altbekannten Leitbildprozessen hin. Und wie war das noch mit den Vision- und Mission-Statements? Alles schon dagewesen, oder?

Übrigens: Bei Delta war es wohl nicht allein der schöne Zweck und der Geist des Gründers, der den Erfolg ausmachte. Man setzte ein Gewinnbeteiligungssystem auf, durch „das im Jahr 2014 über eine Milliarde Dollar an die ganze Belegschaft ausgeschüttet wurde.“ Da kann ich mich mit dem Modell durchaus anfreunden: Zurückbesinnen, für wen das Unternehmen tatsächlich tätig ist, den Kundennutzen erhöhen, dafür sorgen, dass Mitarbeiter wieder einen Sinn in dem sehen, was sie täglich tun und sie dafür anständig bezahlen. Klingt nicht nach Hexenwerk.

Ach ja, das kann ich mir doch nicht verkneifen: Raten Sie mal, wessen „Purpose“ das hier ist: „We make real what matters“. Oder „To make the world a brighter place“ (nein, kein Lampenhersteller). Oder: „To help the world run better and improve people’s lives“. Viel Spaß beim Raten.

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