26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Schlummernder Gegenpol

PRAXIS: Das dürfte kein Einzelfall sein: Im Zuge der wachsenden Selbstorganisation erleben Führungskräfte, dass ihr gewohntes Verhalten in schwierigen Situationen nicht mehr funktioniert. Plötzlich gehen Mitarbeiter ihren eigenen Weg. In dem Beispielfall (Agile Führung und Coaching) konnte eine bewährte Mitarbeiterin eine Aufgabe wegen Überlastung nicht fortführen, die Führungskraft reagierte wie gewohnt. Auf der Suche nach einer raschen Lösung wollte sie einer anderen Mitarbeiterin die Aufgabe übertragen, aber diese lehnte dankend ab.

Offenbar ein schockierendes Erlebnis für jemanden, der gewohnt ist, dass seinen Anweisungen Folge geleistet wird, aber vermutlich eine Situation, die sich in vielen Organisationen häufen wird, wenn das mit den selbst organisierten Teams Schule macht. Für eine Führungskraft drohen hier Verlust der Kontrolle und des Ansehens, beides sicher nur schwer zu verkraften.


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Im Coaching ging es zunächst darum, diese Tatsache zu akzeptieren, dass die alten Wege nicht mehr funktionieren und sich von ihnen zu verabschieden. Um die Bereitschaft zu erhöhen, neue Wege zu erproben, braucht es ein neues Zielbild, das verlockend genug ist, es anzustreben. In diesem Fall half die Metapher des Gipfels, der vom Team gemeinsam erklommen werden soll. Hieraus leitete die Führungskraft das Bild der Gruppe „als eine gut eingespielte Seilschaft“ ab, in der die Mitglieder die Aufgaben im Team selbst verteilen und sich bei der Bearbeitung kollegial unterstützen. Sie informieren ihre Führungskraft über die Ergebnisse und fragen um Unterstützung an, wenn sie selbst nicht weiterkommen. Die Führungskraft kann sich auf ihre Seilschaft verlassen und ihren Kompetenzen und Fähigkeiten voll vertrauen, weil jeder seine Erfahrungen und Kenntnisse einbringt, um die beste Route für alle zu finden.

Im Coaching wurde offenbar auch deutlich angesprochen, dass eine solcher Wandel in der Auffassung der eigenen Rolle nicht von heute auf morgen reibungslos funktioniert. Das alte Muster ist viel zu stark und wird sich erst ändern, wenn sich der neue Weg als erfolgreich herausstellt. Bei jedem „Missgeschick“ wird sich das Bedürfnis nach Kontrolle wieder melden und zu „Ehrenrunden im alten Muster“ führen.

Der Führungskraft wird im Coaching klar, dass sie sich selbst weiter entwickeln muss, um dem neuen Zielbild zum Erfolg zu verhelfen. Hierbei unterstützt der Coach mit Hilfe des Werte- und Entwicklungsquadrates. Bisher war ihr Verhalten von „Zwang und Kontrolle“ (unten links) geprägt, die positiven Werte dahinter lauten „Orientierung und Sicherheit“ (oben links). Der Gegenwert hierzu ist „Raum für Mitgestaltung und Freiheit“ (oben rechts), zwischen beiden besteht ein positives Spannungsverhältnis. Was einleuchtet: Je mehr Raum für Selbstgestaltung existiert, desto weniger sicher kann die Führungskraft sein, dass alles in ihrem Sinn abläuft.

Der negative Pol zur Mitgestaltung ist „Gleichgültigkeit und Vermeidung“ (unten rechts), die Übertreibung von „Freiheiten gewähren“, nach dem Motto: „Na, dann sollen sie doch schauen, wie sie klar kommen, ich halte mich jetzt raus.“ Die Entwicklungsrichtung für die Führungskraft geht nun von „Zwang und Kontrolle“ in Richtung „Raum für Mitgestaltung“ („dem schlummernden Gegenpol“), ohne die Sicherheit und Orientierung aufzugeben. 

Mir gefällt die Kombination der „Tools“: Zum einen, dem Coachee ein erstrebenswertes Bild an die Hand zu geben, das reizvoll genug erscheint, um das eigene Verhalten zu ändern, zum anderen das individuelle Entwicklungsquadrat, das als eher theoretische Fundierung Orientierung und Halt bietet.

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