10. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Schritt für Schritt

INSPIRATION: Es soll in Deutschland Paare geben, wo der eine nicht weiß, wie viel der andere verdient. „Wir machen in Deutschland aus dem Thema Gehalt ein viel zu großes Tabu,“ sagt ein Arbeitsmarktexperte von Stepstone. Was sich ändern wird, denn in der EU soll 2026 ein Entgelttransparenzgesetz kommen. Ich sehe schon das Entsetzen in den Gesichtern von Unternehmern und Managern. Erstere werden fürchten, dass es teuer für sie wird. Letztere eine Neiddebatte. Vermutlich zu Recht.

Was soll Entgelttransparenz überhaupt bewirken? Eine Hoffnung: Dass niemand mehr über Gehalt spekulieren muss und annehmen, dass er nicht fair für seine Leistungen entlohnt wird. Buffer, ein amerikanisches Unternehmen, hat eine Namensliste samt Jahreseinkommen veröffentlicht, vom CEO angefangen. Außerdem kann man sich mit einem Gehaltsrechner im Internet ausrechnen, was das Unternehmen bereit wäre zu zahlen. Viel transparenter geht es nicht. Im Personalmagazin führt Stefanie Hornung einige Beispiele auch in Europa auf, die ähnlich weit gehen (Offenheit verpflichtet).

Entgelttransparenz

Wenige gehen so weit wie Buffer. Bei einigen liegen die Gehaltsbänder offen, was zum Beispiel dazu führt, dass die Bewerbungen passgenauer werden. So hat eine Digitalagentur in Deutschland einen Versuch gestartet: Die gleiche Anzeige mit und ohne Gehaltsspanne hat je 30 Bewerber angezogen, aber bei letzterer hatten nur sieben Bewerber realistische Gehaltswünsche, bei ersterer waren es fast alle.

Bei einem Jobwechsel ist das Gehalt ein starkes Motiv. Stepstone hat in seinen Anzeigen Gehaltsspannen zur Norm gemacht, weil man herausgefunden hatte, dass Jobsuchende gezielt nach Gehaltsinformationen suchten. Und siehe da: Seit der Einführung hat sich die Zahl der Bewerbungen verdoppelt (Transparent von Anfang an).

Unternehmen, die offen mit ihrem Gehaltssystem umgehen, locken zumindest im Moment auch deutlich mehr Bewerber an, Transparenz ist also eine gute Personalmarketingmaßnahme, wie ein Spieleentwickler feststellen konnte. Er konnte aufgrund des Medienechos 19 offene Stellen innerhalb von zwei Monaten wieder besetzen.

Wider den Gender Pay Gap

Und schließlich geht es auch um den Gender Pay Gap – unter anderem ein Grund für das EU-Gesetz. Einige Unternehmen gehen voran. Bei Vodafone gibt es ein „automatisiertes Dashboard … über die aktuelle Peervergütung in der Rolle, im Bereich und in der Firma …“ Da kann man nachschauen, ob das Gehalt passt. Noch ein Vorteil: Es gibt Unternehmen wie die GLS Bank, die die Spanne vom höchsten zum niedrigsten Gehalt veröffentlichen, auch das könnte für Bewerber attraktiv wirken – je nach Wert spricht das schon Menschen an, die Wert auf Fairness legen.

Also alles gut in Sachen Transparenz? Kein Vorteil ohne Nachteil, alles hat seine Nebenwirkungen, und die wollen bedacht sein. Mit der Komplexität des Systems steigt der Kommunikationsaufwand. Wer alles veröffentlicht, der gibt auch der Konkurrenz Informationen. Und möglicherweise verliert er an Boden, wenn Kandidaten auf den ersten Blick erkennen, dass dort weniger zu verdienen ist. Vor allem: Wer seine Zahlen extern bekannt gibt, muss intern mit Reaktionen rechnen. Daher ist die Empfehlung nachvollziebar: „Zuerst Fairness, dann Transparenz. Zuerst interne, dann externe Information. Zuerst prozessuale Transparenz, dann distributive.“ Macht man einen Fehler bei einer Einstufung, könnte das eine Kettenreaktion im Unternehmen auslösen, was teuer wird. Vor allem: Wer einmal mit der Transparenz begonnen hat, der kann nur mit schmerzhaften Einbußen wieder zum Gehaltsgeheimnis zurückkehren.

Apropos Prozess: Hier kann man viel richtig machen, indem man Schritt für Schritt vorgeht und viele Betroffene einbindet. Aber das ist bei strukturellen Veränderungen inzwischen eher eine Binsenweisheit …

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