INSPIRATION: Die Fragen sind allemal spannend: Für wen ist die Wirtschaft, ist ein Unternehmen, die tägliche Arbeit der Mitarbeiter eigentlich da? Wer soll die Früchte ernten? Der Eigentümer? Die Investoren? Die Erben des Unternehmers? Eine ungewöhnlihche Antwort fand die Brand eins, und zwar bei Ernst Schütz, der einst Triaz vor der Insolvenz rettete und mit dem Öko-Versandhaus Waschbär erfolgreich ist: Unternehmen sollten sich selbst gehören.
Die Wirtschaft, wie wir sie kennen, basiert ja in der Tat auf der Grundidee, dass egal wie die formulierte Mission oder Vision lautet, am Ende alle für den Inhaber bzw. die Anteilseigner arbeiten – diese streichen den Gewinn ein und können das Unternehmen irgendwann veräußern. Da das Unternehmen nach diesem Verständnis das Eigentum des Unternehmers ist, kann er damit anstellen, was er will.
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Wollte Schütz so nicht hinnehmen und fand eine andere Antwort. Er wollte sein Unternehmen weder den Kindern hinterlassen (die durch das Glück, im richtigen Elternhaus geboren worden zu sein, zu Wohlstand und Verantwortung gelangen) noch veräußern und Kasse machen (was gerade in letzter Zeit mehr als einem Öko-Unternehmen „passierte“, das in die Hände von Konzernen gelangte). Sein Gedanke: Wenn das Unternehmen dem Unternehmen gehört, kann es nicht verkauft werden. Dann fließen alle Gewinne wieder ins Unternehmen und kommen denjenigen zugute, die die Arbeit leisten.
Er verkaufte es allerdings nicht an die Mitarbeiter, sondern wählte eine interessante Konstruktion. Er übergab es an seine beiden Geschäftsführer mit jeweils 49,5% und sorgte mit einer Unternehmenssatzung dafür, dass es nun praktisch unverkäuflich ist. Er koppelte Eigentum und Unternehmerschaft, die Firma gehört immer denjenigen, die sie führen. Damit ist das klassische Unternehmerprinzip erhalten, aber das Eigentümerprinzip ausgehebelt. Die Geschäftsführer können selbstbestimmt handeln und entscheiden, aber sie bleiben nur so lange Eigentümer, wie sie der Firma verbunden bleiben. Scheiden sie aus, fallen ihre Stimmrechte wieder ans Unternehmen zurück und gehen auf die neuen Geschäftsführer über.
Bleibt ein Rest von 1% – und den hält eine Stiftung. Sie darf sich nicht ins laufende Geschäft einmischen, aber muss ein Veto bei einem geplanten Verkauf einlegen. Die Geschäftsführer erhalten ein branchenübliches Gehalt, wenn es gut läuft eine Erfolgsbeteiligung. Ansonsten wird der erwirtschaftete Gewinn reinvestiert, als Lohnerhöhung an die Mitarbeiter verteilt oder gespendet.
Der Beitrag in der Brand eins („Should we fuck capitalism?“) führt noch eine ganze Reihe von Unternehmen auf, die mehrheitlich einer gemeinnützigen Stiftung gehören, u.a. Carl Zeiss AG, Rolex und Playmobil. Aber eine solche Konstruktion wie bei Triaz, bei der die Geschäftsführer frei in ihren Entscheidungen sind wie „richtige“ Unternehmer, das ist schon spannend. Es gibt zwar einige definierte rote Linien, aber das ändert nichts an der Idee, dass das Unternehmen immer im Besitz des Unternehmens bleibt, die Eigentümerrechte mit der Verantwortung wechseln, ohne verkauft werden zu können.
Höchst interessant ist der Hinweis, dass es in Dänemark mehr als 1000 Unternehmen gibt, die einer Stiftung gehören. Wie auch die Antwort für alle, die an der Konstruktion zweifeln, weil sie ja dem Grundprinzip des Kapitalismus zu widersprechen scheint. Warum sollte sich jemand anstrengen, wenn er seinen persönlichen Besitz nicht mehren kann? Wissenschaftler in Dänemark haben nachgewiesen, dass die Stiftungsunternehmen profitabler wirtschaften und nach 40 Jahren eine um das sechsfach höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben.