6. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Auf der Schwelle innehalten

INSPIRATION: Seit vielen Jahren arbeite ich mit dem Zürcher Ressourcen Modell®. Und leite auch meine Studierenden an, es für sich zu nutzen. Und dann so was …! Ich lerne plötzlich in kürzester Zeit faszinierende neue Anwendungsideen kennen.

Erst war es die Idee, dröge formulierten Unternehmensvisionen mit Hilfe des ZRMs auf die Sprünge zu helfen. Das hat die Altmeisterin der MWonline-Community im Webtalk (Visionen zum Leben erwecken) selbst vorgestellt. Nun lerne ich, wie man das ZRM erfolgreich für tiefgreifende Transformationsprozesse nutzen kann.


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Rites de Passage

Dabei wollte ich den Beitrag von Autor Bernd Kessel (Zwischen Loslassen und Neubeginn) schon abhaken und weiterblättern. Der Hinweis auf das ZRM erfolgt nämlich erst auf Seite 4 von 6. Wie gut, dass ich geduldig war! Denn nach den Ausführungen über Rites de Passage (Übergangsriten), und „die sublime Ebene der condition humaine“, war ich eher leicht gelangweilt. Nicht, dass das nicht gehaltvoll sein kann und erhellend. Doch erinnert es mich eher an ethnologische, tiefenpsychologische und auch soziologische Diskurse, die leider oft recht speziell und „eigenbrötlerisch“ sind. Werden sie in den OE-Kontext eingeführt, wirken sie auf mich leicht esoterisch.

Dass meinerseits hier eine Warnleuchte anging, hat auch mit dem Autor Kessel zu tun. Er berichtet von Erfahrungen, die er „in den 1980er Jahren mit Native Americans in den USA gemacht hat.“ Tja, auch ich habe so meine juvenalen Erfahrungen gemacht – allerdings in der deutschen Katholischen Jugendarbeit. Solches hinterlässt Spuren. Und wenn nun Autor Kessel im nächsten Schritt auf Otto Scharmer und dessen Theorie U hinweist, wundere ich mich, dass ich die Lektüre nicht doch dort abbreche.

Auf der Schwelle

Vielleicht ist es eine hartnäckige Neugier meinerseits, die mich zum Weiterlesen verführt. Denn die Frage liegt in der Luft: Welche Kurve will dieser Beitrag nun nehmen – ehe er im Wer-weiß-wo versielt? Doch Autor Kessel verweilt nicht bei Scharmer & Co., sondern nimmt noch Bezug auf einige anthropologische Koryphäen – und Francisco Varela, bekanntermaßen Koautor von Humberto Maturana. Womit wir beim Konstruktivismus wären (so also fesselt man meine Aufmerksamkeit … grins!).

Und so wird es dann für mich doch noch interessant: „Im Unterschied zu Zeremonien, die gegebene soziale Konfigurationen bestätigen, verändern Rituale den Status eines Menschen.“ Und während ich noch über „die transformative Kraft der liminalen Phase in der ganzheitlichen Erfahrung der Initianden“ und der „universalen Erfahrung menschlicher Sozialität“ nachdenke, lese ich dann diesen Satz, der meine Aufmerksamkeit von einer anderen Warte her anspricht: „Übergangsriten liefern ein tiefes Wissen über personale und kollektive Rollentransformationen in Organisationen und Gesellschaften.“

Rollentransformation

Das Thema Rollenmanagement ist halt – neben dem Thema Ritual – ein wichtiges OE-Thema: Wie können Menschen ihre Rolle reflektieren und verändern? Autor Kessel bringt nun einen Transition-Workshop als Anwendungsbeispiel. Und dabei spielen auch Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der Hypnotherapie eine Rolle: Trance und Embodiment. „Im Workshop ist es sinnvoll mit Symbolen, bebildernden Methoden, Gestaltelementen oder Verfahren aus den Performance Arts (Theater-Methoden) zu arbeiten.“ – Womit wir nun schlussendlich beim Thema ZRM® wären.

Es steht für die Teilnehmenden im Beispiel eine tiefgreifende Neustrukturierung im Unternehmen an. Daran können Mitarbeitende schon einmal verzweifeln und das Unternehmen als Ganzes kann daran scheitern. Wie kann man diese „Kurve“ erfolgreich nehmen?

Der Workshop

Es beginnt mit diversen Auftaktformaten (Keynotes, Townhall-Meetings, World Cafés). Zum anschließenden Workshop sollen die Teilnehmenden jeweils zwei Symbole mitbringen. „Mit dem ersten Symbol wird eine Würdigung des Vergangenen symbolisiert, mit dem zweiten ‚Was mich gerade besonders beschäftigt (und evtl. Angst/Sorgen bereitet)‘.“ Das ist etwas ganz anderes als das übliche Vorgehen à la „Augen zu und durch“, „nur nach vorne schauen“ und „keine Sentimentalitäten zulassen“.

Keine Frage: Die Mitarbeitenden haben die Change-Botschaft wohl vernommen. Sie wissen, es gibt kein Zurück zum Status-quo. Und sie gehen damit in Resonanz. Indem sie in kleinen Gruppen anhand der Symbole darüber sprechen, erkennen sie, dass es den anderen ähnlich geht. Eine Gemeinschaft (communitas) entsteht. Und die Leistungen der Einzelnen werden gesehen und gewürdigt.

Das „Kalibrieren des Rollenselbst“ (Bernd Schmid) kann beginnen. Das Ringen darum kann mit den Symbolen als Medien gelingen, da sie zwischen dem Unbewussten und dem sprachlich zugänglichen Bewussten – so der Ansatz auch im ZRM® – vermitteln können.

Ordnungs-Ordnungsübergang

Die Schwellenphase – so lehrt die Systemtheorie (Synergetik), erlaube ich mir an dieser Stelle als Fingerzeig – ist eine Phase der Entschleunigung. Der Ordnungs-Ordnungsübergang braucht Zeit – und Tiefe. Es gilt, eine persönliche neue Rollenvision zu entwickeln. Dazu muss man sich selbstverständlich zunächst intensiv mit den Zielstrukturen auseinandersetzen. Aber die oberflächliche, rein kognitive Konzeption einer neuen Rolle allein trägt nicht. Emotionen und Bedürfnisse müssen gleichfalls berücksichtigt werden. Genau diese Argumentation fährt Maja Storch, nachzulesen in ihrem jüngst erschienenen Buch (Drögen Kopfgeburten Leben einhauchen).

Wie aus dem ZRM® bekannt, „suchen sich die Teilnehmer*innen Bilder aus einem Bilderset“. Bilder, die für sie persönlich, für ihre Rollenvision stärkend wirken. Auch diese Bilder werden in der Gruppe geteilt. Und mit Embodiment-Methoden als persönliche Affirmation geankert. Selbstverständlich wird ein weiteres ZRM®-Element angeschlossen: eine Peergroup-Phase.

„Das Loslassen ist der bedeutendste Pfad im Transition-Workshop. (…) Tiefgreifende Transformationen sind mit Erfahrungen der eigenen Verletzlichkeit verbunden.“ Der Ansatz zeigt, dass man sich Zeit nehmen muss und den Tiefgang nicht scheuen darf. – Man könnte auch sagen: Es geht um notwendige Trauerarbeit (Der Indianer kennt keinen Schmerz!). Auch zu diesem Thema gab es schon einmal einen Webtalk bei MWonline (Trauer-Coaching). Für mich schließen sich da so einige Kreise.

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