26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Bittere Erfahrungen

KRITIK: Harrison Owen hat das Großgruppen-Format „Open Space“ in den 80er Jahren entwickelt. Ich kann mich gut an meine ersten Veranstaltungen als Teilnehmer und Moderator erinnern. Dass diese Form heute als innovativ – zumindest in einigen Branchen – verstanden wird und welche Fehler man machen kann, erstaunt. Gleichzeitig beeindruckt die fast naive Darstellung eines internen Coachs über den Versuch, Bewegung in ein Unternehmen zu bringen („Open Space“: mehr Raum für Ideen).

Bei dem Personaldienstleister Studitemps werden pro Jahr zwei solcher Großgruppenevents organisiert. Was laut Aussage des Coachs zumindest für diese Branche neu ist. Beispiele für Themen nennt er auch: „Vertikale versus horizontale Entscheidungskompetenzen“, „Dezentralisierung“, „Feedback geben und nehmen“, „Wann ist ein Team ein Team?“


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Hier stutze ich das erste Mal. Als Moderator hätte ich bei allen genannten Themen Bauchschmerzen. Bei jeder Art von Moderation ist die Fragestellung ausschlaggebend für den späteren Erfolg. Es sollte immer eine Fragestellung im Zentrum stehen, die eine Herausforderung darstellt. Ob es um die „Verbesserung der internen Kommunikation“, „Die Senkung der Unfallzahlen“, „Die Stärkung der Kundenorientierung“ geht – das Thema gibt die Richtung vor. Und die Ergebnisse lassen sich später daran bewerten, ob sie zu dem eingangs genannten Ziel beitragen.

Gute Fragestellung wählen

Harrion Owen schreibt in seinem Buch „Open Space Technology„: „Damit Open Space Technology funktioniert, muss man sich auf eine konkrete Aufgabe oder geschäftliche Frage konzentrieren, für die alle Beteiligten leidenschaftliches Interesse aufbringen.“ (S. 34) Was genau soll also die konkrete Aufgabe sein bei einem Thema wie „Wann ist ein Team ein Team?“ oder „Dezentralisierung“? Eine Definition zu finden? Mit anderen Worten: Wie immer ist es ausschlagebend, jedes Mal den Auftrag sehr sorgfältig zu klären: Worum soll es eigentlich gehen?

Nun sind Menschen zum Glück erfinderisch. Und selbst wenn man solche Themen vorgibt, werden sie einen Open Space nutzen, um ihre Anliegen zu bearbeiten. Was bei Studitemps wohl auch funktioniert hat. Aber dann stellte man fest, dass die Organisation dem gut gemeinten Vorhaben Steine in den Weg legte. Offenbar gibt es Schwierigkeiten bei der Übernahme der Kosten. So müssen zum Teil die Teilnehmer die Anreise und Übernachtung selbst bezahlen. Woanders wurde den Mitarbeitern von ihren Abteilungen die Teilnahme nicht gestattet.

Und schließlich stellte man fest, dass die Ergebnisse der Open Space-Veranstaltungen „im Alltag keine Priorität“ hatten. Wenn die Teilnehmer die Ideen weiter verfolgten, kamen sie in Konflikt mit ihren Vorgesetzten. So z.B. bei den Versuchen, „Homeoffice für jedermann“ oder „selbstorganisierte und cross-funktionale Teams“ in die Praxis umzusetzen.

Kardinalfehler: Nice-to-have-Veranstaltung

Da wundert sich der Leser nun richtig. Die Führungskräfte waren also gar nicht eingebunden? Sie hatten weder zu den Themen noch zum Vorgehen „ja“ gesagt? Ihre Mitarbeiter kamen zurück mit tollen Ideen und versuchten diese umzusetzen, etwa das Homeoffice für alle – da wären vermutlich auch tolerante Führungskräfte alles andere als begeistert.

Seitdem hält man in den Open Space Konferenzen die Ergebnisse in Protokollen fest (wurde vorher offenbar nicht gemacht, was schon wieder sehr erstaunt – das ist nach meiner Kenntnis ein zentraler Bestandteil der Methode). Die „Geschäftsführung ist angehalten, sich im Closing mindestens eines Projektes anzunehmen und dabei als Sponsor zu fungieren.“

Auch das ist schon alles andere als einfach: Wenn man die Leitung nicht während der gesamten Veranstaltung an Bord hat, sondern erst am Ende mit den Ergebnissen konfrontiert, kann hier schon viel Motivation verloren gehen, wenn dann Vorschläge abgeschmettert werden. Aber über die zwei oder drei Tage die Führung einzubinden, ist in der Tat oft schwierig, da ist die gemeinsame Abschlusspräsentation ein Kompromiss, den man manchmal eingehen muss (wenn man es dann nicht gleich ganz lässt).

Trainerkompetenz?

Und schließlich hat man auch bei den Themen nachgebessert, mit diesen gibt man im Voraus eine Zielrichtung vor. An den Beispielen allerdings wird mir das noch nicht so klar, sie lauten „Standards und Best Practices“ oder „Menschen“.

Der Praxisbericht ist auf jeden Fall erstaunlich offen. Er deckt die Fehler auf, die selbst heute noch bei einer doch längst etablierten Konferenztechnik gemacht werden können. Und er machen deutlich, dass in Sachen Change und Moderation noch eine Menge Fortbildungsbedarf besteht.

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