PRAXIS: Regelmäßig verraten umfangreiche Studien, wie unzufrieden viele Angestellte sind und wie viele von ihnen an einen Jobwechsel denken. Im Rahmen von Corona und Homeoffice sollen es noch viel mehr sein als vorher, weil ihnen bewusst geworden ist, dass es auch andere und vielleicht viel angenehmere Arbeitsbedingungen gibt. Zeit, sich mit den Wechselwilligen zu beschäftigen – aber wie?
Die Antwort ist so alt wie einfach: Miteinander reden. Ich kenne so viele Fälle, in denen jemand gekündigt hat und sein Arbeitgeber völlig überrascht reagierte. Manchmal sogar empört, nach dem Motto: „Wie können Sie uns das nur antun, nach allem, was wir für Sie getan haben!“ Ein wenig so wie in einer Partnerbeziehung, die der eine völlig überraschend für beendet erklärt.
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Miteinander reden: Was ist daran so schwer?
Aber wie überraschend kann das wirklich sein? Natürlich gibt es die Fälle, in denen jemand jahrelang den Anschein erweckt, als sei alles in bester Ordnung – und vielleicht war es das ja auch, nur hat sich von heute auf morgen die Situation verändert. Aber in den meisten Fällen wird es lange vorher Signale geben, und diese sind auch nicht allzu schwer zu erkennen. Nur – wer tut dann den Schritt und spricht den Mitarbeiter an? Ob man das ein „Bleibegespräch“ nennen muss, sei dahingestellt (Jetzt „Bleibegespräche“ trainieren) – Hauptsache, miteinander reden.
Bleiben wir bei der Analogie zur Partnerschaft: Da wird vielleicht hin und wieder gefragt: „Ist alles in Ordnung?“ Aber wie oft drücken wir uns vor der Frage, denn die Antwort könnte ja lauten: „Nein, ist es nicht!“ Und dann? So ähnlich scheint es vielen Führungskräften zu gehen. Sie drücken sich davor, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Reaktion umgehen sollen. Hier ein kleiner „Fahrplan“ und der Appell, es auf jeden Fall anzugehen – allemal besser, als mal wieder von einer Kündigung überrascht zu werden.
Ein kleiner „Fahrplan“ fürs Gespräch
- Um ein persönliches Gespräch bitten und sich hierfür Zeit nehmen. Was tun, wenn der Mitarbeiter fragt, worum es geht? Tipp in dem Beitrag der Wirtschaft + Weiterbildung: Den Anlass nicht nennen, sondern beruhigen, dass es nichts Schlimmes sei. Sehe ich ganz anders. Wer ist dann nicht erst recht alarmiert? Also einfach offen sagen, dass man den Eindruck habe, der Mitarbeiter sei mit seiner Situation nicht mehr zufrieden und könnte mit Wechselgedanken spielen. Darüber möchte man mit ihm reden. Dann kann er sich ebenso vorbereiten wie man selbst das tun sollte, also z.B. sich überlegen, ob man als Führungskraft einen Anteil an der Unzufriedenheit haben könnte.
- Im Gespräch dann zügig zum Thema kommen, den eigenen Eindruck schildern und vermitteln, dass man es sehr bedauern würde, weil man den Mitarbeiter schätzt und gerne halten möchte. Die möglichen Reaktionen:
- Der Mitarbeiter betont, dass er keinerlei Wechselabsichten hat. Dann freut man sich, aber bittet ihn, sich zu melden, wenn ihn dann doch mal etwas stört oder beschäftigt.
- Der Mitarbeiter betont, dass er nichts dergleichen vorhabe (obwohl er vielleicht aktiv auf der Suche ist, aber noch nichts entschieden ist und er es sich mit seinem Chef nicht verscherzen möchte), aber Sie sind nicht überzeugt. Dann könnten Sie mit ihm über seine derzeitige Situation reden, fragen, was er benötigt, um weiterhin zufrieden zu sein und ihn ebenfalls bitten sich zu melden, wenn sich etwas verändert.
- Der Mitarbeiter erklärt, dass er einen Wechsel in Erwägung zieht. Dann danken Sie ihm für seine Offenheit, fragen nach den Gründen und danach, was Sie tun können, um ihn zu halten.
- Der Mitarbeiter ist fest entschlossen zu wechseln. Auch dann danken Sie ihm für die klare Antwort und fragen nach den Motiven. Je nachdem, wie diese lauten, wünschen Sie ihm alles Gute für seine Zukunft und lassen ihn wissen, dass die Tür für ihn immer offen steht. Oder aber Sie überlegen mit ihm gemeinsam, welche Alternativen es geben könnte, damit er doch noch bleibt. Was vor allem dann schwierig ist, wenn die Gründe mit der Arbeit selbst bzw. dem Arbeitsklima zu tun haben.
In diesem Fall sollten Sie sich dafür entschuldigen, dass Sie dies nicht früher registriert und angesprochen haben. Danach könnte eine Frage lauten: „Unter welchen Umständen könnten Sie sich vorstellen, Ihre Entscheidung zu überdenken?“ Wie es danach weitergeht, lässt sich nicht in dem ersten Gespräch regeln, sondern erfordert sicherlich umfangreichere Klärungen.
Noch ein Tipp: Ein solches Gespräch sollten Sie auch führen, wenn die Kündigung bereits eingereicht wurde. Ich kenne Fälle, in denen der Chef sich mit dem Mitarbeiter zum Essen getroffen hat und dieser anschließend die Kündigung wieder rückgängig gemacht hat.