4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Den Eisberg lupfen

KRITIK: Die informelle Kommunikation entscheidet über die Güte der Zusammenarbeit, über Vertrauens- und Beziehungsaufbau, sie verbessert Zusammenarbeit und Teamleistung. Doch wird sie nicht über das Organigramm darstellbar. Dieses beschreibt bloß die formale Kommunikation. Die informelle Kommunikation „kann jedoch mittels einer sozialen Netzwerkanalyse (SNA) sichtbar gemacht werden,“ konstatieren die Autoren (Den Knoten lösen).

Man könnte tiefer graben, was die Autoren leider nicht tun, und käme zum Soziogramm, das seinerzeit Psychologieurgestein Levi Moreno entwickelt hat. Mit dem Soziogramm bewaffnet haben sich frühe Beratergenerationen in Teams und Organisationen gewagt und dort zum Zwecke der Selbsterfahrung den sozialen Striptease gepredigt: Wer mag mich? Oftmals haben Berater naiv gut arbeitende Teams pulverisiert, weil plötzlich für den Einzelnen offensichtlich wurde, dass kaum jemand Sympathien für einen hegte. Das ergab böse Verletzungen. Die Methode kam schnell außer Mode.


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Nun schleicht sie sich wieder an … Ok, es hat sich die Fragestellung gewandelt. Es geht nicht mehr um die Frage: Wer hat mich lieb? Es geht um eine neue Perspektive, um Wissensmanagement: Mit wem kann ich gut zusammenarbeiten? Wen würde ich um Rat fragen, wenn ich nicht mehr weiterweiß? Diese gewandelte Fragestellung kommt weniger emotional und persönlich daher. Ist cooler. Und auch nicht mehr neu, wie der eine oder andere ältere Beitrag lehrt.

Soziale Netzwerkanalyse

Die Autoren Nils-Torge Telle und Fabio Ibrahim schildern im Beitrag ein Beispiel eines OE-Projekts mit SNA-Analyse. Sie lassen eine Beraterin latente Strukturen in Unternehmen identifizieren, um die Organisation zu optimieren. Es beginnt mit einem Initialworkshop, in dem das Grundverständnis der Organisation herausgearbeitet wird – es handelt sich um einen Merger zweier Unternehmen. Nächster Schritt ist die Datenerhebung unter der Fragestellung: „Mit wem haben Sie in den letzten drei Monaten gemeinsam an einem Projekt gearbeitet?“ Dem schließt sich die Datenaufarbeitung an. Hier ist spannend, welche statistischen Indikatoren zur Netzwerkbeurteilung genutzt werden:

  • Netzwerkdichte: Anzahl der möglichen Beziehungen zur Anzahl der bestehenden Beziehungen
  • Reziprozität: Anzahl beidseitiger Beziehungen zur Gesamtanzahl an Beziehungen
  • Degree-Zentralität: Anzahl der Verbindungen eines Knotens
  • Pfaddistanz: Anzahl gerichteter Verbindungen, um von A zu B zu kommen

Hier zeigt sich die qualitative Weiterentwicklung dieser alten Methode, die heute mit Computerunterstützung einfach viel mehr hergibt und einfacher abläuft als zu den Zeiten, in denen es spannend war zu fragen, wer mit wem auf der Klassenfahrt ins Zimmer darf.

Im Ergebnisworkshop werden die Daten nun aufbereitet vorgestellt und diskutiert. Dann werden Maßnahmen generiert: Job-Rotation, Arbeitsplatzveränderungen, feste Austauschtermine, Kompetenzprofile und Teambuilding-Events. Die Ergebnisse werden weniger leidenschaftlich als konstruktiv aufgefasst.

Bei aller Faszination bleibt eine gewisse Skepsis der Methode gegenüber: Nehmen die Mitarbeiter die Ergebnisse wirklich locker und cool zur Kenntnis? Ich bin mir da nicht ganz so sicher. Spannend wäre nun auch zu schauen, welche weiteren Fragestellungen man sich so noch einfallen lassen könnte. In Zeiten des digitalen Taylorismus (Technosolutionism) wäre Naivität ein schlechter Ratgeber.

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