INSPIRATION: Das Thema Nachhaltigkeit betrifft alle Unternehmensbereiche. So auch die Personalentwicklung. Nicht nur, dass Nachhaltigkeit gelernt werden will. PE muss auch ihren Beitrag zur Umsetzung der ESG-Berichtspflicht ab 2025 leisten.
Und zwar dadurch, dass die Kompetenzen der Mitarbeitenden zu fördern und zu erhalten sind. Wie das geschieht, ist ab dem Jahr 2025 für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden darzulegen. Dazu braucht es Kennzahlen. Und da fängt die Malaise schon an: bei der Datengewinnung und deren -analyse. Darauf hatte dieselbe Forschergruppe unlängst schon hingewiesen (Wer hat Angst vor ESG?).
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Was wichtig ist
Und dann muss man im Unternehmen beim Thema über die Bereiche hinweg kooperieren. Es sind zwei übergeordnete Aufträge, die die ESG-Berichtspflicht für die Personalentwicklung generiert, so die Autor:innen in dieser weiteren Veröffentlichung (Nachhaltigkeit fördern):
- Gezielt Kompetenzentwicklung betreiben
- Über deren Wirksamkeit berichten
Nun, das sollte ein Personalentwickler doch leisten können, sollte man mutmaßen. Doch die Autoren lassen da eine gewisse Skepsis durchblicken, die man leicht teilen kann, wenn man den Vorläuferbeitrag (Wer hat Angst vor ESG?) liest. Dort hatten sie schon vier „Rollen“ für HR beschrieben – mit ansteigendem Anforderungsgehalt. Sagen wir es mal flapsig: Beginnend bei „Klein-Döfchen“ … Damit seien allerdings drei Viertel der Unternehmen gemeint. Ouups, das tut weh! Ist denn wenigstens Rettung in Sicht?
Über die Latte springen?
Nicht direkt. Denn die Materie ist verzwickt. „Unternehmen müssen zeigen, dass die PE-Maßnahmen, die unter die S-Kriterien fallen, auch in den Bereichen Umwelt (E) und Unternehmensführung (G) Wirkung erzielen. Um dies in Berichten nachzuweisen, muss PE Erfolgsindikatoren definieren – eine altbekannte Herausforderung.“ Aber eben keine triviale.
Nimmt man die Herausforderung ernst, dann braucht es eine umfassende Kompetenzentwicklung. Dazu gehören nun auch sogenannte „Green Competencies“. Und wie entstehen diese? Die Autor:innen schlagen Outdoortrainings oder Corporate-Volunteering-Projekte und Gamification vor. Na ja, es dürfte einen gewaltigen Unterschied machen, ob wir „Ringelpiez mit Anfassen“ im Wald spielen, oder tatsächlich lerntransferorientiert ansetzen – und das dann auch überprüfen. Nichts für Anfänger (siehe oben).
Oder drunter herlaufen?
Was ist also die naheliegende und wahrscheinliche Lösung? Wir machen einfach mit dem üblichen Unsinn weiter wie gewohnt. Wir stellen uns Menschen als Skill-Baukasten vor (Legostein-Metapher) und beschallen sie mit allerlei Wissen aus der Retorte (Nürnberger Trichter). Ich glaube, das nennt sich inzwischen „Learning-Management-System (LMS).
Das Tolle daran: Wir kommen unserer Dokumentationspflicht nach. Deshalb erfassen wir Kennzahlen. Und zwar solche, die wir leicht generieren können wie Teilnahmequoten oder die Anzahl der absolvierten Trainingsstunden und abgehakten Checklisten. Das macht echt etwas her! Vor allem extern (Stichworte: Compliance-Orientierung und Fremdkapitalbeschaffung). Wir nennen das neudeutsch inzwischen: Upskilling.
Nachhaltige PE?
Ein Problem gibt es dabei: Sollte mal jemand ein wenig kratzen an unserer Nachhaltigkeitsfassade, stehen wir beim Thema Wirksamkeit schnell nackig da. Wer will das schon?! „Wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Ausrichtung, wie die Veränderung von Werten, Haltungen und Verhaltensweisen, lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres abbilden.“ Informelles Lernen, kulturelle Veränderungen und ob Nachhaltigkeit tatsächlich ins Unternehmen integriert wird, solches lässt sich nur schwer mit KPIs erfassen.
Da fällt mir ein Witz ein: Bei einem nächtlichen Spaziergang trifft jemand auf einen Mann, der unter einer Laterne offensichtlich etwas sucht. Gefragt, was er denn suche, antwortet dieser: „meinen Schlüsselbund“. Ob er denn sicher sei, dass er ihn dort verloren habe, fragt der Passant. „Nein,“ sagt der Mann, „aber hier sehe ich wenigstens etwas.“
Kirkpatricks berühmte Studie zum Lerntransfer (Tschüss: Ponyhof) lässt grüßen. Der Weg, der sich mit der leichten Messung unwesentlicher Daten erschließt, mündet mit großer Wahrscheinlichkeit im Greenwashing (Mit angezogener Handbremse).
Und nun?
Ist denn Rettung in Sicht? Fragte ich oben. Vermutlich wird man sich eine Zeit lang mit der Parole „Des Kaisers neue Kleider“ durchzumogeln versuchen. Aber das wird nicht allzu lange gutgehen. Denn: Gut gemeint … Da wird man sich also mittelfristig doch bewegen müssen – weil sich all die anderen auf dem Markt eben auch bewegen. Es könnte also tatsächlich eine „Upskilling“-Spirale in Gang kommen. Im besten Fall.
Die etwas ambitionierteren, innovativeren Unternehmen sind da schon weiter. Sie haben längst die passende Nachhaltigkeitsstrategie implementiert (ESG – Schluss mit lustigem Greenwashing). Warten wir es also mal ab, wie sich die Lage entwickelt … Noch ein letzter Gedanke: Das Ganze ist auch ein spannendes Experiment zur Frage, ob Veränderungen über Struktur oder Kultur erfolgreicher sind. Dazu gibt es in derselben Ausgabe neues lernen gleich die Anschlusslektüre (Henne oder Ei?).