27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Die eigenen Schwächen kennen

KRITIK: Nicht nur im Assessment Center versuchen Personaler herauszufinden, wo die Stärken und Schwächen der Kandidaten liegen – es ist die Standardherausforderung eines jeden Einstellungsinterviews. Die direkte Frage nach den persönlichen Schwächen stellt eine besondere Herausforderung dar.

Die Wirtschaftswoche durfte an einem Assessement Center für Top-Führungkräfte teilnehmen (Die Chef-Prüfung). Der Bericht darüber zeigt einige Facetten dieses seltsamen Casting-Verfahrens. Hier ist die Rede von einer „Choreografie der Kontaktvermeidung“ – die Kandidaten für Top-Positionen sollen sich an dem Tag nicht über den Weg laufen. Und dass die Fachleute das Verfahren für eine „objektive Arbeitsprobe“ halten – aber daran habe ich oft genug Kritik geübt.


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An einer Stelle geht es darum, dass bei den Einzelgesprächen die klassische Frage gestellt wird, „an der immer noch viele Kandidaten scheitern: „Was sind Ihre Schwächen?“. Worauf die ebenso klassischen Antworten kommen: Perfektionistisch, ungeduldig …

08/15-Antworten

Pech gehabt, das reicht nicht. Denn der gewiefte Diagnostiker erkennt, dass die Bewerber hier eigentlich nur indirekt Stärken vermitteln wollen. Da muss schon reflektierter geantwortet werden, denn das sollte eine Top-Führungskraft können: Reflektieren.

Der Kandidat in dem Beispiel antwortet cleverer: „Jung und direkt.“ Und schiebt hinterher: „Vielleicht zu jung? Vielleicht zu direkt?“ Das gefällt dem Diagnostiker, erst recht die folgende Antwort: „Ich möchte reifer werden, und dazu brauche ich Unterstützung, Mentoring und Coaching“. Bestens, so mögen wir das, der Kandidatn weiß, dass er noch lernen muss, und ist auch willig.

Mal im Ernst: Was soll die Frage nach den Schwächen? Der Personaler sucht jemanden, der führen und managen kann. Wieso sollte ich als Bewerber ihm eine Schwäche mitteilen, die genau das in Zweifel ziehen lässt? Mehr noch: Was sind denn überhaupt Schwächen? Doch das, was mir an mir selbst nicht gefällt, was ich gerne besser können möchte, wo ich mit mir unzufrieden bin, oder? Ich bin mir vielleicht nicht sportlich genug. Oder nicht musikalisch genug. Oder tendiere dazu, jeden Abend eine Tüte Chips zu futtern. Oder habe zwei linke Hände, was jede handwerkliche Tätigkeit zur Qual macht.

Und wofür soll das gut sein?

Nur will der Personaler das wissen? Letzteres sicher, wenn er jemanden für eine Ausbildung zum Schreiner anstrebt, aber wer würde sich mit einem solchen Selbstbild denn hierfür bewerben?

Wenn ich mich also für eine Führungsposition bewerbe, dann sollte ich doch ein Selbstbild haben, das den Anforderungen entspricht. Wenn ich zum Beispiel sehr harmoniebedürftig bin, dann sollte ich mich vielleicht erst gar nicht bewerben. Und wenn, dann sollte ich es tunlichst verschweigen. Aber das kommt nicht gut an, weil doch jeder Mensch Schwächen hat. Und nur wer diese kennt und sie dann auch noch mit dem Personaler teilt, gilt als reflektiert. Zu jung ist da eine tolle Schwäche. Und zu direkt ist genauso wie zu ungeduldig oder zu perfektionistisch eine versteckte Stärke. Clever, aber sicher kein Zeichen für Reflektiertheit.

Soll heißen: Die Frage kann man getrost in die Tonne hauen. Die Antwort verrät maximal, dass sich der Bewerber gut vorbereitet hat. Aber vermutlich stirbt die Frage nie aus. Und wenn sie Ihnen mal gestellt wird, dann sagen Sie vielleicht wirklicht mal so was wie „Mein Orientierungssinn ist nicht gut ausgeprägt“ oder „Beim Singen treffe ich selten den richtigen Ton“. Und wenn der Interviewer damit nicht glücklich ist, dann erzählen Sie ihm, dass sie sich für den Job eben wegen Ihrer Stärken beworben haben. Wäre mal einen Versuch wert …

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