26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ein bisschen zu einfach gemacht

KRITIK: Man muss auch Verlernen können, sagt Stefanie Schächtner (Unlearning: Ein Schlüssel zum Lernerfolg), wenn man sich weiterentwickeln will. Man muss alte Verhaltensweisen ablegen und Platz für Neues machen. Wie wäre es damit: Man nimmt mal einen anderen Weg zur Arbeit …

Wow, was für eine coole Aktion! Es braucht dazu einen Trigger, einen Änderungsimpuls, beispielsweise durch ein Feedback. Zu Beginn ist das ein negativer Reiz, der sich mit der Zeit aber zu einem positiven entwickelt. Denn es kommt zu einer Destabilisierung. Das Verhalten wird hinterfragt. „Elementar für den weiteren Verlauf von Unlearning ist, dass diese Destabilisierungsphase ‚überzeugen‘ kann und die ersten Gedanken nicht direkt verworfen werden.“


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Mythos: Verlernen

Sorry! Aber wenn ich „Unlearning“ lese, sträuben sich bei mir alle Nackenhaare. Warum? „Was einmal im Gedächtnis verankert wurde, bleibt dort erhalten“ (Neurowissenschaftlich fundiertes Grundlagenwerk; S. 176). Oder: „[Es] findet (…) keine Löschung der ‚alten‘ dysfunktionalen Schemata statt. Diese persistieren (…) können aber unter besonderen Belastungsbedingungen wieder einen starken Zugang zur Verhaltenssteuerung erlangen“ (Neurowissenschaftliche Fundierung von Coaching; S. 510).

Wenn das also Sinn machen soll, was uns die Autorin vermitteln möchte, dann sollten wir nicht über Unlearning sprechen, sondern über einen sogenannten Musterwechsel. Jürgen Kriz beschreibt in seinem kleinen Büchlein schön, wie das gehen kann (Kleine Weiterbildung in Systemtheorie). Damit wird das Anliegen, dass die Mitarbeiter ja nicht irgendetwas verlernen, sondern etwas Neues lernen sollen, sinnvoller gerahmt als mit dem verunglückten Begriff „Unlearning“. Um wieder bei Ryba & Roth (Neurowissenschaftliche Fundierung von Coaching; S. 501f.) anzuknüpfen, lautet die Anweisung: „[Wir] müssen mit der Vielfalt an Interventionen individuenzentriert auf drei Ebenen ansetzen“: (1) auf der Ebene der subjektiven Befindlichkeit, (2) auf der Ebene des Verhaltens und (3) auf der Ebene der körperlichen Zustände.

Davon findet sich im Beitrag leider wenig. Was hier vorgeschlagen wird, beschränkt sich auf die Idee, mal ein Mentoring wahrzunehmen oder sich mit einem Buddy zusammenzusetzen. Well, ich habe da überhaupt nichts gegen. Nur, und das zeigt dieser Beitrag (leider) mal wieder, wenn das Konzept schwammig und flach ist, sieht es mit den Maßnahmen nicht besser aus. Mentoring mag an der subjektiven Befindlichkeit rühren, vielleicht schafft man auch noch, ein neues Verhalten auszuprobieren. Aber dann verließen sie ihn … Wir kennen das von den guten alten Silvestervorsätzen. Es braucht hier aber professionelles Vorgehen – wie das Ryba & Roth beschreiben, wie es im Zürcher Ressourcenmodell (Ganzheitliches Selbstmanagement) realisiert wird oder in emotionsaktivierenden Konzepten (Embodiment und Emotionen) – Wishful Thinking ist schlicht zu wenig. – Wie wir wissen und immer wieder beobachten können.

Der Kontext: Führung und die Arbeitsgestaltung

Interessant ist allerdings der Hinweis auf organisationale Rahmenbedingungen. In der Diktion von Jürgen Kriz wären das die Kontrollparameter. Die Rolle von Führungskräften und die Arbeitsgestaltung wären hier zu nennen. Es wäre lohnend, hier stärker anzusetzen. Dann würde es vielleicht auch wirklich etwas mit dem Change. So ganz am Rande findet sich dann noch ein Textkasten, der auf das Rückfallmanagement verweist, wie es Kollege Axel Koch empfiehlt. Das ist sicher ein hilfreicher Hinweis. Doch alles in allem: Man sieht der Autorin beim Experimentieren zu und denkt, Mensch, da fehlen jetzt nur noch die passenden Konzepte, dann würde das auch richtig was …

Eva Danhof, Teamleiterin für HR Learning bei Datev eG, erläutert im Interview (Die Transformation erfordert Lernen und Verlernen), wie wichtig das Thema Glaubenssätze beim Change-Management sei. Nun, kein neues Thema, aber eines, das von NLP-Jünger:innen völlig banalisiert worden ist. Und im nächsten Schritt ist man schon bei der Veränderung der Unternehmenskultur. Ein leichter Schauer läuft mir den Rücken herunter. Nein, mich überzeugt das nicht. Das ist mir zu oberflächlich. Nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie – sagte schon der Altmeister Kurt Lewin. Dann läuft das auch mit der Umsetzung.

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