REZENSION: Miriam Deubner-Böhme / Uta Deppe-Schmitz – Coaching mit Ressourcenaktivierung. Ein Leitfaden für Coaches, Berater und Trainer. Hogrefe Verlag 2018.
Die Entdeckung der Ressourcen als wichtiger Ansatzpunkt für Veränderungsprozesse, ob im Coaching, der Psychotherapie oder im Change-Management, ist allgemein unbestritten. Vom Mitbegründer der Positiven Psychologie Albert Bandura erstmalig in die Debatte eingeführt, lässt sich die Spur über das Salutogenese-Konzept von Antonovsky, die lösungsfokussierte Therapie (DeShazer & Berg), die Psychotherapieforschung Grawes bis zum Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) verfolgen.
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Die Autorinnen, die aus der Berner Schule Grawes stammen, haben zunächst ein Buch für den psychotherapeutischen Bereich veröffentlicht, dann aber zügig dieses Buch für den Coaching-Sektor nachgeschoben. Etliche weitere Veröffentlichungen wie ein Fotokarten-Set und handliche Fragefächer für diverse Anwendergruppen ergänzen sich zur Produktfamilie.
Das Buch ist sehr praxisorientiert konzipiert. Allein 30 Übungsblätter werden im Buch und zusätzlich auf einer beiliegenden CD-ROM präsentiert. Den Auftakt macht das persönliche Ressourcenexperiment, das aus fünf Übungen besteht. Bei diesen geht es darum, persönliche Ressourcen – verteilt über den Zeitstrahl – zu erkennen, aber auch im Körper und mit allen Sinnen zu erspüren. Die Übungen werden ausführlich erläutert und mit Arbeitsblättern, auch exemplarisch ausgefüllten, angeleitet. Im nächsten Schritt gilt es, diese Methodik, die man selbst ausprobiert hat, für die Arbeit mit Klienten zu adaptieren. Diese sollen zunächst ihre Ressourcen erkennen, dann zu aktivieren lernen. Und schließlich sollen sie die Ressourcen einsetzen, um Problemsituationen zu meistern. Die Autorinnen nennen dies den Ressourcenturbo. Es schließt sich noch ein Kapitel zur Ressourcenaktivierung in der Gruppe an.
So reiht sich Übung an Übung, was sich auf, das erschließt eine Übersicht im Anhang, mehr als 40 Übungen summiert. Das ist so kleinschrittig und stringent, dass sich fast niemand verlaufen kann. Nur Theorie, die fehlt in weiten Teilen. Die unterwegs eingestreuten Erklärungen sind eher sporadisch und oberflächlich. Mithilfe dieses Buchs, das sich als Leitfaden versteht, lässt sich locker ein Coaching-Prozess über zehn Termine oder weit mehr organisieren. Aber will man das? Ist das immer nötig?
Kritik
Damit deutet sich auch schon die Kritik an diesem Buch an. Es ist perfekt durchdekliniert bis zu den Feinheiten im Anhang. Im Zentrum steht allerdings die Methodik. Die dargestellten Fälle exemplifizieren diese, der Fall selbst erscheint eher seziert. Fragt man sich, wen man sich als Anwender vorstellt, so wird offensichtlich weder eine halbwegs anspruchsvolle Coaching-Weiterbildung vorausgesetzt noch ein einschlägiges Studium. Es mag zugegebenermaßen etliche Schmalspur-Coaches geben, doch unterschätzen die Autorinnen offensichtlich Wissen und Kenntnis der anderen Coach-Fraktion deutlich.
Was vermisst wird und auch werden darf, ist der Ausblick auf und die Diskussion mit ähnlichen Konzepten – also eine breitere theoretische Einbettung. Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®), das einen ähnlichen Ansatz hat, wird mit keinem Wort erwähnt. Von solchen Diskussionen und Blicken über den Tellerrand hätte das Buch aber eher profitiert. So wird der Coach auch eher allein gelassen mit der Überlegung, wie man für spezifische Klienten und Anliegen bestimmte Übungsauswahlen konfektionieren kann – ohne eben von A bis Z das ganze Buch durchzuarbeiten.
Fazit: Ein schönes, praktisches Buch. Aber etwas over-engineered. Coaching-Anfänger können sich bis zur dritten Nachkommastelle einfuchsen. Die erfahreneren Kolleginnen und Kollegen hingegen können schnell ungeduldig werden, weil für sie eine Handvoll Übungen ausreichend sein sollte. Die Adaption auf spezifische Klienten und Anliegen müssen sie selbst leisten.