24. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Forced-Distribution-Systeme

KRITIK: Gibt es so etwas tatsächlich noch? Dass Führungskräfte gezwungen werden, ihre Mitarbeiter so zu beurteilen, dass immer nur ein bestimmter Anteil der Beurteilungen top sein darf, während ein anderer vorgegebener Anteil schlecht ausfallen muss? Eine Studie hat die Wirkungen untersucht (Zusammenarbeit im Unternehmen fördern?).

Die Idee zu dieser „erzwungenen Verteilung“ rührt aus der Erfahrung, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter häufig „zu gut“ beurteilen und im Laufe der Jahre diese Tendenz sogar noch zunimmt. Soll heißen: Selbst wenn sich zur Einführung eines Beurteilungssystems die „Noten“ noch etwas breiter verteilen, nach wenigen Jahren steigt der Durchschnitt der Bewertungen. Und das gefällt Management und Personalstrategen seltsamerweise nicht. Statt sich zu freuen, dass ihre Belegschaft besser und besser wird, misstrauen sie dem Urteil ihrer Führungskräfte. Und zwingen sie dazu, einen bestimmten Teil der Menschen schlechter zu bewerten. Bis hin zu der abstrusen Variante, dass die untersten 10% sogar entlassen wurden …

Noten als „Feedback“

Na klar, die Mitarbeiter mit den zunehmend positiven Noten müssen nicht zwangsläufig auch besser geworden sein. Das ist ja das Perverse an diesen Rating-Systemen: Man zwingt, Menschen, anderen Menschen Noten zu geben und verkleidet das als „Feedback“. Die Botschaft lautet: Mitarbeiter wollen und brauchen Feedback, um sich zu verbessern und zu entwickeln. Aber im nächsten Jahr dürfen sie nicht besser bewertet werden, weil es ja nicht sein kann, dass das Feedback etwas gebracht hat. Völlig verrückt, oder?

Kann aber auch anders gemeint sein: Alle haben sich verbessert, und die Beurteilungen sollen ja nur die „relative Leistung“ abbilden. Bei allen Versuchen, die einzelnen Ratingstufen zu operationalisieren, geht es am Ende darum, wer wie im Vergleich zu den anderen dasteht. Wozu dann die Noten? Dann kann man auch gleich ein Ranking einführen und diesen scheinheiligen Quatsch mit den „objektiven Beurteilungen“ kippen.

Aber zur Studie, die, so viel sei schon mal verraten, einige Fragezeichen aufwirft. Man hat Mitarbeiter eines Unternehmens, das solche „Forced-Distribution-Systeme“ bekanntlich einsetzt, im Internet angesprochen. Von 918, die man gefunden hat, haben 135 geantwortet, davon wiederum haben 39 angegeben, dass sie nach einem solchen System beurteilt werden. Also wird es gar nicht flächendeckend eingesetzt.

Eine seltsame Studie

Alle wurden nun gebeten, das Arbeitsklima, die Zusammenarbeit, die Hilfsbereitschaft, den Informationsaustausch, die Integration neuer Kollegen und das Verhältnis zum Vorgesetzten zu bewerten. Außerdem wurde nach der Motivation der Kollegen gefragt als auch danach, wie wichtig es ihnen sei, besser zu sein als die Kollegen. Die Frage nach der Art der Beurteilung wurde erst am Ende gestellt, damit diese nicht die anderen Antworten beeinflussen konnte.

Und siehe da: In allen Kategorien fielen die Antworten der „erzwungen Beurteilten“ deutlich negativer aus, und das war hoch signifikant. Die Mitarbeiter ohne ein solches System bewerteten die allgemeine Motivation ihrer Kollegen auch höher. Die Idee, mit solchen Systemen würde man die Leistungsmotivation erhöhen, kann man also auch knicken. Lediglich bei der letzten Frage waren die Werte der „erzwungen Beurteilten“ höher. Soll heißen: Es besteht der Eindruck, dass es wichtig sei, besser zu sein als die Kollegen. Was jetzt keine große Überraschung ist.

Wie man mit Instrumenten Führungskräften die Arbeit erschwert

Die Ergebnisse scheinen deutlich zu sein und alle Skeptiker, mich eingeschlossen, zu bestätigen. Nun muss man aber wissen, dass man sonst gar nichts über die Befragten weiß. Vielleicht herrscht in einigen Unternehmensteilen ein so schlechtes Klima und die Leistungen sind so gering, dass man deshalb so ein System eingeführt hat. Oder das System kommt in einem Bereich zum Einsatz, wo man keinen Wert auf Zusammenarbeit, Hilfsbereitschaft und Informationsaustausch legt. Klingt zwar seltsam, aber wer weiß? Oder die Stimmung wäre in diesen Bereichen ohne das geniale Beurteilungssystem noch viel schlechter …

Aber mal ohne Zynismus: Ich begreife nach wie vor nicht, warum es solche Systeme noch gibt. Wenn ich doch von Führungskräften erwarte, dass sie ihre Mitarbeiter fördern und entwickeln und mit ihnen zusammen Top-Leistungen erbringen sollen – wie kann ich sie dann zwingen, einen Teil der Leute jedes Jahr besonders schlecht zu bewerten? Das wäre so, als würde man den Trainer einer Sportmannschaft, die Top-Leistungen erbringt, am Ende eines Spiels zwingen, drei Spielern miese Noten zu geben, damit diese entsprechend geringere Prämien erhalten. Wie schwer kann man Menschen ihre „Führungsarbeit“ machen?

Alternative: Ranking

Was man machen könnte, wäre Folgendes: Man bittet Führungskräfte, ihre Mitarbeiter nicht mit Noten zu belegen, sondern sie bezüglich einzelner Kriterien in eine Rangfolge zu bringen. Zum Beispiel: „Sie sollen aus der Reihe Ihrer Mitarbeiter jemanden mit zu schwierigen Verhandlungen nehmen: Wer wäre Ihre 1. Wahl (2., 3., 4. usw.)?“ Oder: „Sie sollen einen Ihrer Mitarbeiter vor einem wichtigen Kunden präsentieren lassen: Wer wäre Ihre 1. Wahl …?“ Noch eine Alternative: „Einer Ihrer Mitarbeiter soll einen neuen Kollegen betreuen und einführen …“ Und noch eine: „Sie sollen einen Ihrer Mitarbeiter mit der Qualitätskontrolle beauftragen …“

Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir alle uns zwar hier und da schwer tun, eine Rangfolge aufzustellen, aber letztlich doch dazu in der Lage wären. Und wenn man dann nach der jeweiligen Begründung fragt, dann würde man ziemlich gute Hinweise zu den Fähigkeiten und Eigenschaften der Betroffenen erhalten. Was man damit auf keinen Fall erhält, ist ein Vergleich zu anderen Mitarbeitern. Aber den hat man auch nicht mit den klassischen Beurteilungssystemen. Obwohl so getan wird, als sage eine „3“ von Führungskraft X das Gleiche aus wie eine „3“ von Führungskraft Y. Bei einem Ranking ist klar, dass es eine rein subjektive Aussage des Beurteilers ist. Und es würde lediglich die Basis für ein Gespräch über die Einschätzung darstellen. Zu innovativ?

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