11. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Selfie

KRITIK: Seit der Pandemie ticken die Uhren in der Personalauswahl anders. Vieles wurde online-tauglich gemacht. Doch auch die Kandidaten haben dazu gelernt. Sie liefern Bewerbungsvideos. Wie brauchbar sind diese? Eine Forschungsarbeit ging dem nach und fand, Qualität und Inhalt dieser Videos können sehr unterschiedlich sein.

Ursprünglich entstanden solche Videos im künstlerischen Bereich, im Schauspiel und Tanz. Daran wird klar: Solche Videos sind Arbeitsproben. Was sie personaldiagnostisch wertvoll erscheinen lässt. Kandidaten präsentieren sich audiovisuell und können neben der eigentlichen Botschaft auch noch non- und paraverbale sowie atmosphärische Konnotation vermitteln – also einen Kompetenzeindruck erzeugen. Nun sind die Kandidatinnen nicht immer frei in der Gestaltung. Unternehmen fordern inzwischen nicht nur solche Videos, sondern schreiben teilweise auch die Gestaltung vor.


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Eine Studie

Empirische Forschung zum Thema gibt es bislang aber kaum. Löblich, dass der Leserschaft hier die Ergebnisse einer Masterarbeit (Was ein Video aussagt …) vorgestellt werden. Es wurde auf 132 einschlägige Videos zugegriffen, die sich auf öffentlichen Plattformen fanden. Wenn die Altersspanne auch breit war, so lag das durchschnittliche Alter der Videoproduzentinnen doch in der Mitte der 20er-Jahre. Beide Geschlechter waren gleichermaßen Autoren. Die durchschnittliche Länge der Videos betrug 109 Sekunden. Das entspricht dem klassischen Elevator-Pitch-Format einer kompakten Selbstpräsentation.

Jenseits der Formalia – 85 Prozent der Kandidat:innen wählte das Querformat – sind stilistische Aspekte interessant. So ließ sich feststellen, „dass der Hauptteil der Bewerbenden sich nur an einem Ort filmte und direkt in die Kamera sprach (51 Prozent). Eher selten wurde der Hintergrund gewechselt (sieben Prozent).“ Aber es gab da auch die 36 Prozent der Kandidat:innen, die sich etwas mehr Mühe machten. Sie schnitten Fotos oder Filmsequenzen aus ihrem Leben ein, die sie voice-over kommentierten. Einen kleinen Kurzfilm im ausschließlichen Voice-over-Format produzierten jedoch nur sieben Prozent der Stichprobe.

Stilistische Details

Die Raffinesse wird am Detail erkennbar. Beispiel: Hintergrund. Zimmer- oder Hauswand? Privatzimmer, Büro, Natur oder neutraler Ort? Da kann man schon einigen Hirnschmalz drauf verwenden. Doch nur zirka 20 Prozent wechseln zwischen verschiedenen Hintergründen im Video.

Die spannende Frage: Was bringt was? Zwei unabhängige Beurteiler schätzen die Videos hinsichtlich zweier Aspekte ein:

  • Eignung: Wie wahrscheinlich ist es, die jeweilige Person zu einem Einstellungsinterview einzuladen?
  • Globaleindruck: Wie optisch ansprechend ist dieses Video?

Über Geschmack – und Ergebnisse – lässt sich streiten

Bedauerlicherweise erfährt man nichts über die „unabhängigen Beurteiler“. Wie kompetent und repräsentativ sind sie? Warum hat man nicht mehrere Beurteiler rekrutiert? Wie hat man „optisch ansprechend“ operationalisiert? Denn über Geschmack lässt sich bekannterweise streiten. Und wir erfahren auch nicht, in wie vielen Fällen es gestalterische Vorgaben der Unternehmen gab, an die sich die Kandidaten halten mussten, oder wie frei die Kandidatinnen waren.

Die Forscherin hat dann fleißig korreliert. Wie man das so macht – die Leserschaft ahnt, ich bin nicht zufrieden mit dieser Form empirischer Forschung. Und was zeigte sich? Fast alle Variablen korrelierten positiv mit der Wahrscheinlichkeit einer Einladung. Videolänge (mehr ist besser) und Querformat sind Trumpf. Diese Aspekte korrelieren signifikant mit dem Globaleindruck. Informationen über Beruf und Ausbildung hinaus (Freizeit, freiwilliges Engagement oder Nebenjobs) sind ebenfalls Pluspunkte. Videostil und Hintergrundwahl spielen auch eine Rolle, welche genau, wird im Beitrag nicht klar; es werden nur Tendenzen berichtet (z.B: „professioneller“).

Tja, ehe ich den Autoren nun Professor Kanning (Tschüss: Ponyhof) an die Fersen wünsche – relativieren Sie ihre Befunde selbst sehr stark: „Es ist bisher unklar, wie valide Bewerbungsvideos sind.“ Nun, waren sie nicht angetreten, diese Frage zu erhellen? Ihre abschließenden Ratschläge: Standardisierende Vorgaben durch die Unternehmen und Beurteiler-Schulungen. Alte Bekannte … Schade, da hätte man doch mehr draus machen können, denke ich mir. Aber wer weiß, vielleicht ist „further research“ schon im Anmarsch.

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