26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Topf und Deckel

INSPIRATION: Der HR-Bereich wirkt an vielen Stellen noch wie ein mittelalterlicher Handwerksbetrieb inmitten einer technisch hochentwickelten Organisation, konstatiert Martin Kersting, Professor für psychologische Diagnostik an der Justus-Liebig-Universität Gießen („Von den ersten missglückten Anwendungen lernen“). HR entzieht sich hartnäckig der digitalen Transformation. Es besteht daher ein gewisser Druck, in Bezug auf die Digitalisierung zu den anderen Unternehmensbereichen aufzuschließen. Der KI-Einsatz könnte hilfreich sein sich zu profilieren, weil man damit die menschlichen Schwächen der Beurteilung überwinden könnte. Doch leider treffen Schwächen und Risiken der Anwender auch solche, die die Programme mit sich bringen.

Wenn KI-Algorithmen mit Daten zweifelhafter Qualität trainiert werden, kommen auch nur zweifelhafte Ergebnisse dabei heraus: Garbage in, garbage out. Waren in der Vergangenheit viele erfolgreiche Mitarbeiter Männer, sucht die KI auch für die Zukunft nur Männer: Das könnte man vermeiden, wenn die Tools mit Sachverstand entwickelt würden. Das werden sie aber offenbar nicht. Es seien in Personalpsychologie nicht geschulte Data Scientists, die die Programme entwickeln.


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Und wie stellt sich Klein-IT-Fritzchen Mitarbeiter vor?

Sie bestehen offenbar aus einer Ansammlung von Skills, so wie Legosteine, die man mit Stellenanzeigen matchen kann. Sie entwickeln Algorithmen offenbar mit einer küchenpsychologischen Brille. Das ist jedoch nicht angemessen. Unternehmen verprellen schon im ersten Schritt, bei der Suche, über ein schlechtes Wording Kandidaten. Weil sich Frauen beispielsweise nicht angesprochen fühlen von stereotyp männlichen Anforderungen im Anzeigentext. „Die Maschinen ‚lernen‘ daraus, dass Führungspositionen für Frauen uninteressanter sind, und bieten diese häufiger Männern an. Somit schaukelt sich der negative Trend weiter auf.“

Kersting belässt es nicht bei der wohlfeilen Kritik an der IT, er würdigt auch die Erkenntnisse als Chance, die IT-Systeme nun mit Sachverstand zu verbessern. Denn zum unreflektierten Bauchgefühl und daraus resultierenden schlechten analogen Entscheidungen zurückzukehren, sei keine Alternative: Die Dramatik von „Garbage in, garbage out“ bei IT-Systemen liegt allerdings in der Möglichkeit, den Müll enorm zu skalieren. „Auf diese Weise wird bei HR-Tech täglich das Rad neu erfunden und gleichzeitig gegen die Wand gefahren; weil die Tool-Verantwortlichen die einschlägigen HR-Theorien und die empirischen Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte offensichtlich nicht kennen.“

Raus aus der Scheinalternative

Die Alternative KI oder Mensch ist folglich eine Scheinalternative. Es muss vielmehr darum gehen, Systeme qualitativ gut zu designen. Daher muss zu Beginn die Frage nach guten Kriterien in der Personalauswahl gestellt und klar beantwortet werden. Wozu auch die Frage gehört, wer über die Güte befinden soll. Kersting: „Computeranwendungen, die weitreichende Konsequenzen für Menschen haben, [sollten] streng überwacht werden, ähnlich wie Medikamente.“ Rechtliche, ethische und psychodiagnostische Kompetenzen sind dafür notwendig. Das werden jedoch viele Data Scientists und die Unternehmen, für die sie arbeiten, und die damit offenbar viel Geld verdienen, nicht gerne hören wollen.

Doch der Personaldiagnostiker hat auch eine Vision: Anstelle von Selbstberichtsdaten (Fragebogen) und Simulationen (AC) könnten in Zukunft Daten aus dem wirklichen Leben zum digitalen Fußabdruck gerinnen. Man könnte viel individualisierter und regelbasierter vorgehen und mehr Feedback in Echtzeit austauschen. Und die Maschinen würden sich um Routinearbeiten kümmern.

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