19. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Wie sage ich es meinem Handwerker?

INSPIRATION: Eine alte, aber immer wieder spannende Frage: Bringt Weiterbildung etwas? Also nicht nur den Teilnehmenden, sondern auch der Organisation. Und wovon hängt das ab? Das letzte Wort scheint da noch nicht gesprochen zu sein.

Die bahnbrechende Veröffentlichung von Baldwin und Ford aus den 1980er-Jahren brachte es auf den dreifachen Punkt:


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  • Wichtig sind Bedingungen aufseiten der Teilnehmenden – also sind sie motiviert, freiwillig dabei, glauben sie an ihre Wirksamkeit usw.
  • Nicht minder wichtig sind Trainingsbedingungen – also Hotel auf der grünen Wiese vs. Lernen vor Ort, Trainingsmethodik und -didaktik etc.
  • Und zuletzt: Gibt es ein unterstützendes organisatorisches Umfeld – also interessiert die Organisation, ob die Mitarbeitenden etwas lernen, oder hakt man das als Incentive oder Störung des Betriebsablaufs ab?

Diese grundsätzliche Erkenntnis gilt weiterhin als State of the Art. Und die Botschaft an die Praktiker:innen war und bleibt wichtig, dass es eben nicht nur an den Teilnehmenden oder der Trainerin liegt, sondern die Organisation auch ihren Beitrag zum Gelingen beitragen muss: Kümmern sich Kolleg:innen und Führungskräfte um den Kompetenzzuwachs? Oder cancelt man den als „not invented here“ ab? Organisationsklima und -kultur müssen das Lernen unterstützen.

Ein langer Hebel

Es geht beim Thema Weiterbildung übrigens um einen 40 Milliarden Euro schweren Markt – jährlich. Umgerechnet investierten deutsche Unternehmen im Jahr 2020 durchschnittlich 1.236 Euro pro Mitarbeitenden in Weiterbildung. Da darf die Frage doch erlaubt sein: Ob sich das und was sich lohnt? Und die Bilanz sieht verdammt schwach aus. Da könnte sich der legendäre britische Kaufhauspionier John Wanamaker beruhigt zurücklehnen. Er soll geklagt haben, wird kolportiert: „Die Hälfte meiner Ausgaben für Werbung sind aus dem Fenster geworfen. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ In Sachen Weiterbildungserfolg scheint es noch viel schlechter auszusehen: „Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass nur ca. 10 bis 30% des Gelernten nachhaltig im Arbeitsalltag angewendet werden.“

Also so richtig zufrieden war man in der Forschung mit der Erkenntnis der Studie von Baldwin und Ford noch nicht, wollte es genauer wissen. Uwe Kanning hat zuletzt zwei Metastudien vorgestellt (Tschüss: Ponyhof), die die Baldwin & Ford-Trias noch einmal bestätigt. Zudem: Es reicht nicht, wenn der Einzelne etwas lernt und anwendet. Das Wissen muss auch weitergegeben werden – ob nun formell oder informell. „Bisherige Forschung konnte verschiedene prozessbezogene Faktoren identifizieren, welche einen Einfluss auf den Transfer und die Wissensweitergabe haben, diese können den Lerntransfer aber noch nicht vollständig erklären.“ Inzwischen gibt es einige Fragebögen zum Thema Lerntransfer. Beispielsweise das „Learning Transfer System Inventory“ (LTSI) von Holton und Kollegen aus dem Jahr 2000.

Untersuchung im Handwerk

Wenn wir nun auf eine neue Studie blicken, fällt auf, dass es noch einiges zum Thema zu lernen und zu erforschen gibt. Die Autorinnen (Welche Faktoren machen den Unterschied?) untersuchen eine spezielle Branche: das Handwerk. Dort ist der Fachkräftemangel ein großes Thema. Und sie machen sich die Mühe, noch einmal tiefer in das Thema einzusteigen. Mit einer Interviewstudie. Da könnte man einwenden: Es gibt schon quantitative Instrumente (Fragebögen). Der Drops ist doch gelutscht! Hier in die Tiefe zu gehen sei reine Zeit- und Kraftverschwendung. Da mag etwas dran sein. Auf der anderen Seite sind viele vorliegende quantitative Instrumente nicht unbedingt optimal. Oft werden sie am grünen Tisch oder nur auf der Basis von Fachliteratur gefertigt, weisen Lücken auf oder basieren auf der Untersuchung spezieller Zielgruppen. Wer liest denn schon genau das Kleingedruckte …?

Die Fragestellung lautet folglich: Können weitere Lerntransferfaktoren identifiziert werden? Und wenn ja, welche sind entscheidend? Und in der Tat konnten der Stichprobe von 28 Personen aus dem Handwerk insgesamt 34 Faktoren entlockt werden, „die als förderlich oder hinderlich für den Lerntransfer benannt wurden. 20 dieser Faktoren sind bisher noch nicht im LTSI enthalten, 14 der 16 LTSI Faktoren konnten bestätigt werden.“ Das lässt aufhorchen. Die 3er-„Hitparade“ nach Domäne:

  • Teilnehmende: Wahrgenommener Lernerfolg, Interesse an den Inhalten, emotionale Reaktion auf die Weiterbildung
  • Weiterbildungsgestaltung: Weiterbildungs-Arbeitsplatz-Übereinstimmung, Transferdesign (beides schon vorher bekannt, nun aber noch einmal genauer spezifiziert), Interaktion der Weiterbildungsgruppe während der Weiterbildung
  • Arbeitsumfeld: Erwartungsklarheit, Zeitpunkt der Wissensanwendung, Unterstützung durch Kolleg*innen (erstes und drittes schon vorher bekannt, nun aber noch einmal genauer spezifiziert)

Der Nutzen

Auffällig ist, dass die meisten Faktoren insbesondere den Teilnehmenden und der Weiterbildungsgestaltung zugeordnet werden konnten. Aspekte des Arbeitsumfeldes wurden jedenfalls weniger häufig genannt. Insbesondere sticht heraus, für wie entscheidend die Befragten die Methodenkompetenz der Weiterbildenden einschätzen. „Für die Wissensweitergabe wurden die Unterlagen zu Weiterbildungsinhalten in beiden Bedingungen [hoher vs. niedriger Lerntransfer] als ausschlaggebende Faktoren identifiziert.“ Viele dieser Aspekte können – das ist die gute Botschaft für die Praktiker – mit nur wenigen Items in einer Evaluation der Maßnahmen erfasst werden. Hierfür geben die Autorinnen Hinweise.

Eine Liste an Handlungsempfehlungen geht über das Kleine Einmaleins der Trainingslehre hinaus. So werden zum Thema Trainingsdesign Intervalltrainings und Follow-ups, aber auch (virtuelles) Coaching oder Buddy-Programme aufgeführt. Hinweise zu Training mit „echten“ Themen und „echtem“ Team fehlen ebenso wenig wie die Aspekte Individualisierung, Interaktivität und Adaptivität.

Womit wir dann doch schon wieder im Bereich Arbeitsumfeld wären. Was zu einigen interessanten einschränkenden Überlegungen der Studie überleitet: „Die Betonung der Weiterbildungsgestaltung in den gefundenen Faktoren widerspricht in Teilen dem Kenntnisstand der Forschung, der besagt, dass insbesondere das Arbeitsumfeld für den Lerntransfer bedeutsam ist.“ Vielleicht kann dies eine Branchenbesonderheit erklären. Im Bauhandwerk scheint es sehr viele Produktschulungen von Lieferanten oder Herstellern zu geben. Die dafür abgestellten Mitarbeitenden sind möglicherweise oft keine didaktisch geschulten Trainerinnen und Trainer. – Ein neues Geschäftsfeld?

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Ein Gedanke zu “Wie sage ich es meinem Handwerker?

  1. Interessant wäre doch einmal die Fragestellung: Warum „funktionieren“ Ausbildungen ganz gut und warum Weiterbildungen eher nicht. Ein gut ausgebildeter Azubi kann sofort nach der Ausbildung praktisch erfolgreich arbeiten.

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