INSPIRATION: Kulturelle Unterschiede zwischen agilen Projekten und ihrem traditionellen, nicht-agilen Organisationsumfeld können zu Konflikten führen. Mit Kollateralschäden auf beiden Seiten. Wie löst man die Konflikte konstruktiv?
Ein agiles Pilotprojekt in einer deutschen Bank erzeugt Reibungshitze. Eine wissenschaftliche Untersuchung (A Clash of Cultures) offenbart, „dass sich die Kultur des agilen Projektes vorwiegend durch ein hohes Bedürfnis nach Flexibilität auszeichnet, während das organisationale Umfeld eine stabilitätsorientierte Organisationskultur aufweist.“ Das dürfte keine neue Erkenntnis sein, zeichnet sich Agilität doch gerade durch Flexibilität aus. Da die Autoren jedoch das Competing-Values-Framework (Gehirnwäscherei?) zur Einordnung benutzen, wird neben der Werte-Achse Stabilität/Flexibilität auch noch die organisationale Blickrichtung intern/extern beleuchtet. Damit ergibt sich eine Übersicht mit vier Quadranten. Organisationen können sich beispielsweise eher mit sich selbst beschäftigen als mit dem Markt (typisch für Bürokratien: intern und stabil). Oder sie können im Gegenteil sehr auf den Markt schauen und sich diesen Anforderungen flexibel anpassen (typisch für eine auf jeden Zug aufspringende Werbeagentur).
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Konfliktfelder
Beim agilen Projekt der Bank geht es um die Migration bestimmter Vorgänge auf eine neue Software. Es geht also um Veränderungen innerhalb der Tätigkeitsstruktur der Bank – nicht um einen neuen Bereich, in dem man sich agil austoben kann. Schwierigkeiten werden daher erwartet. Denn die Bank ist klassisch organisiert, was sich am Planungsmodus ablesen lässt. „Ressourcenzuteilungen werden ein Jahr im Voraus geplant und sämtliche Aktivitäten an halbjährlich stattfindenden Releasezyklen ausgerichtet.“ Das passt nicht zum inkrementellen Vorgehen agiler Projekte mit Dailys und Sprints. Das agile Team verspottet den Status quo daher als „Kontrollillusion“. Vergleichbare Probleme deuten sich bei der Entscheidungs- und Führungskultur an. Hierarchie und damit Top-Down-Entscheidungen prallen auf Selbstorganisation im agilen Team.
Kein Wunder, dass es Reibereien gibt. Drei große Konfliktfelder lassen sich identifizieren:
- Konflikte, die aus den gegensätzlichen Bedürfnissen nach Einhaltung und Abweichung von Prozessvorgaben entstehen: Gegensätzliche Präferenzen hinsichtlich Planung und Prozessvorgaben führen zu Unwuchten. Beispielsweise werden Fristen nicht immer eingehalten.
- Konflikte, die auf Widerstand gegenüber anderen Arbeitsweisen beruhen: Im Alltag wird das offensichtlich. Es wird immer wieder diskutiert und hin und her agiert.
- Unterschiede in der Führungs- und Entscheidungskultur. In die grundsätzlich agile Projektstruktur wurden seitens der Bank hierarchische Elemente eingebaut (Controlling, Leitungsfunktionen). Projektleitung und Product Owner geraten nun aneinander. Kontrolle und Misstrauen werden erlebt.
Lösungen
Wie bekommt man nun solche Konflikte gut gelöst? Hier prallen schließlich unterschiedliche Systeme aufeinander:
- Kompromiss #1: Das agile Projekt passt sich an den längeren Planungshorizont der Bank an. Mit einer Roadmap-Planung werden mehrere Sprintzyklen vorausgeplant. Dafür bekommt das agile Projekt Fristverlängerungen zur Einreichung von Software-Inkrementen für Releases der Bank. Auch außerordentliche Release-Termine für Softwareinkremente werden möglich.
- Kompromiss #2: Das Projektteam wird verkleinert. Die Projektbeteiligten aus nicht-agilen Bereichen ohne inhaltlichen Bezug bleiben nun dem agilen Team fern (Stakeholdermanagement). Die Projektleiterrollen wurden jedoch beibehalten, um „eine gute Kommunikation zum Management“ zu ermöglichen.
- Kompromiss #3: Hierarchische Legitimierung von Entscheidungen bezüglich des agilen Projekts.
Interessant an dieser Lösung ist, dass durch die organisationskulturelle Betrachtung die funktionale Logik deutlich wird. Damit hebt sich der Blick von einzelnen Mitarbeitenden, die Widerstand leisten, auf eine Metaebene der Kultur. Deutlich wird, dass die agile Kultur nicht nur flexibilitätsorientiert, sondern gleichermaßen extern und intern fokussiert ist. Zudem klagt der Beitrag nicht nur über die Problemlage, sondern liefert auch konkrete Lösungsbeiträge.
Vom Bohren dicker Bretter
Nun könnte man aber auch meckern, das Beispiel zeige, wie agiles Arbeiten vom Status quo an die Leine gelegt würde. Die Autoren halten dagegen: Ein revolutionärer Kulturwandel ist mühsam und aufwendig. Was wir in diesem Beispiel sehen, wäre ein inkrementeller Kulturwandel: „Kulturveränderungen werden vom Management eingeführt und schrittweise von Mitarbeitenden übernommen.“ Die Veränderung von Organisationskulturen, das sollte inzwischen bekannt sein, entsteht aus geteilten und positiv verarbeiteten Erfahrungen der Mitarbeitenden (Am Lagerfeuer). Man muss also dranbleiben. Dazu ist „eine gleichzeitige Umsetzung von Integrations- und Differenzierungsstrategien“ wie das die Autoren nennen, vermutlich förderlich.