KRITIK: DEI-Management kommt – oft an seine Grenzen. Beim Managementkonzept aus den USA geht es um die Trias aus Diversity, Equity und Inclusion. Daher die akronyme Abkürzung. Doch ist es hilfreich?
„Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Image als diverse, gerechte und inklusive Arbeitgebende wahrgenommen zu werden, die Anzahl und Qualität an Bewerbungen erhöht und zu höherer Bindung und Zufriedenheit bei den Mitarbeitenden innerhalb des Unternehmens führt.“ Na, wenn das nicht ein tolles Versprechen ist, mit dem die Autorinnen (Unconscious Bias wirksam überwinden) gleich zu Beginn aufwarten! Wir machen auf ethisch korrekt und sind damit auch noch wirtschaftlich erfolgreich. War uns solches nicht längst als Pinkwashing bekannt (Mit angezogener Handbremse)?
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Nun, ich muss ja nicht immer so pessimistisch sein: Es gibt bestimmt zahlreiche Unternehmen, die ernsthaft bei der Sache sind und sich bemühen. Leider führen solche Bemühungen nicht immer zum Erfolg. Man bemüht sich beispielsweise um die Förderung von Frauen und führt ein Unconscious-Bias-Training ein. Unbewusste Vorurteile sollen – nicht nur Männern – bewusst werden und so soll Diskriminierung im Unternehmen reduziert werden. Ein betriebliches Beglückungsprogramm?
Gut gemeint, gut gemacht?
Erwachsene Menschen mögen aber nicht so gerne erzogen werden. Und sie lernen auch nicht immer das, was man mit erhobenem Zeigefinger intendiert hat. Manche Teilnehmer solcher Trainings lernen eben, dass es normal ist, solche Vorurteile zu haben. Solche Trainings sind folglich oft unwirksam. Oder noch schlimmer: Sie führen zu einem Rebound-Effekt, man erreicht das Gegenteil. Und das zum stolzen Preis von zirka ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland. So viel investieren Staat und Privatwirtschaft nach Hochrechnungen der Autorinnen in solche DEI-Maßnahmen. Da kann man doch nur sagen: Stoppt den Unsinn!
Es erinnert allzu sehr an Maßnahmen zum Thema Compliance: Man stellt einen Verhaltenskatalog (code of conduct) auf und überwacht seine Einhaltung. Damit hatte schon Moses im Alten Testament keinen Erfolg. Man verordnet Change schlicht und versucht dann am sogenannten Mindset der Individuen rumzuschrauben. Vielleicht mit Maximen wie: Seid brav, der liebe Gott sieht alles!?
Die 10 Gebote des DEI
Wenn wir aber eines wissen, dann dieses: Es funktioniert nicht. Auch wenn das Juristen und Betriebswirte immer noch gerne glauben mögen (Gehirnwäscherei). Es scheint der einfachere Weg zu sein. Denn die Alternative wäre, man arbeitet statt an Compliance an Integrity. Das ist mühsamer, weil man dafür an der Organisationskultur ansetzen muss. Und wie wir wissen, bedeutet deren Veränderung das Bohren dicker Bretter.
Unsere Autorinnen nehmen tatsächlich die Organisationskultur ins Visier, denken aber offensichtlich, mit einem Maßnahmenkatalog aus dem Compliance-Management ließe sich die Veränderung bewerkstelligen. Hier ihre Liste wirksamer DEI-Maßnahmen für Unternehmen:
- Klare Zielsetzungen, regelmäßiges Monitoring und Rechenschaftspflicht: Eine Frauenquote im Vorstand, explizite Ziele für gleiche Bezahlung von gleichwertigen Positionen oder eine geringe Fluktuationsquote und höhere Commitment-Werte von Frauen. „Verändert sich wenig oder werden Ziele nicht erreicht, so ist es wirksam, die Verantwortlichen um Erklärung und Rechenschaft zu bitten.“ Der Ansatz nennt sich „befolge oder erkläre“ (engl.: to comply).
- Strukturierung von Prozessen und Verfahren zur Entscheidungsfindung: Unternehmensprozesse wie Bewerbungs-, Einstellungs-, Beförderungs- oder Gehaltsprozesse werden leistungsorientiert gestaltet und geschlechterneutral formuliert. Statt auf Ungleichheit wird auf Kompetenz gezielt. Beförderungsgeschwindigkeiten von Männern, Frauen und anderen Gruppen im Unternehmen werden regelmäßig gemessen und transparent gemacht.
- Geschlechterneutrale und inklusive Arbeitsumgebung: Logos, Designs und Symbole, die ganze Arbeitswelt wird geschlechterneutral gestaltet. Und weibliche Vorbilder dürfen natürlich nicht fehlen, sie müssen präsent sein.
- Unterstützung der Ziele, Strukturen und Umgebung mit freiwilligen Trainings: Und die heißen dann auch nicht mehr Unconscious-Bias- oder Anti-Diskriminierungstrainings.
- Commitment der obersten Führungsriege: „Die oberste Führungsriege muss sichtbar hinter den Maßnahmen stehen und auch Verantwortung für deren (Un)Wirksamkeit übernehmen.“
Ein Appell – mit Daumenschrauben
Wenn wir auch gelernt haben, wie wichtig zur Veränderung von Unternehmenskultur der Ansatz an Strukturen ist (Du sollst nicht an der Unternehmenskultur schrauben), kann hier nicht übersehen werden, wie deklamatorisch das Konzept der Autorinnen ist. Es ist ein Appell – mit Daumenschrauben. Sogleich verspürt man den sehnsüchtigen Willen zur freudigen Umsetzung des betrieblichen Beglückungsprogramms.
Doch sollte man sich nicht täuschen lassen. Organisationskultur entzieht sich dem instrumentellen Zugriff (Am Lagerfeuer). Neben der Änderung von Strukturen braucht es noch viel mehr. Dazu schweigen die Autorinnen, deren Fokus im Übrigen auch einseitig auf dem Protegieren von Frauen zu liegen scheint. Nichts dagegen – doch was ist mit den anderen benachteiligten Stakeholdern?