20. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Quiekende Publicity Sau

Kritik: Zum Thema „Purpose“ ist eigentlich schon alles gesagt worden – und von einigen Menschen bereits mehrfach. Ich wollte deshalb die aktuellen Veröffentlichungen schon zur Seite legen, aber dann fiel mir doch der eine oder andere neue Aspekt ins Auge. Zuerst einmal: Dass man den vielfach geforderten und entsprechend angebotenen „Purpose“ leicht mit der früher gepriesenen „Mission“ verwechseln kann, finde ich nicht verwunderlich. Hatten wir hier aber auch schon erklärt (Sinnkrise). Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Beides beschreibt, wozu es ein Unternehmen gibt: Um ein Kundenproblem zu lösen. Wobei beim Purpose der Kunde die ganze Gesellschaft ist. Oder zumindest ein Teil der Gesellschaft. Letztlich geht es darum, die Probleme der Welt zu lösen oder die Welt zumindest zu verbessern. 

Tja, das ist viel verlangt. Denn wer entscheidet, was besser ist? Macht Amazon die Welt besser, weil man nicht mehr zum nächsten Laden laufen muss? Oder weil viele Leute damit die Möglichkeit haben ihren Lebensunterhalt zu verdienen? Oder Apple, weil die Smartphones so beglückend sind? Oder weil damit die Menschen Zugriff auf Informationen erhalten? Erinnern Sie sich noch an den Claim „Connecting People“?

Schaut man sich die sogenannten Purpose-Claims an, dann erscheinen sie mir inzwischen völlig überflüssig. Außer dass sie ein Markenzeichen wie ein Jingle oder ein Logo darstellen, und da sind einige tatsächlich ziemlich gut. Sie sorgen dafür, dass man sofort weiß, um welches Unternehmen es geht. Was mir bei den folgenden Claims nicht gelungen erscheint: „To help the world run better and improve people’s lives“ (SAP) oder „To make the world a brighter place“ (nein, kein Stromerzeuger, sondern Covestro, ein Kunststoffproduzent) oder „First move the world“ (als ob sie sich nicht von alleine dreht – Mercedes Benz).

Und ich stimme dem Kritiker Ingo Hamm (Sinnlos glücklich) zu, der von einer „Quiekenden Publicity Sau“ spricht (Superpower Purpose?): Man sollte die junge Generation vor solchen Sprüchen warnen, wobei das vermutlich gar nicht nötig ist, sie wird die hohlen Phrasen vermutlich auch so durchschauen. Denn das ist ja eines der Versprechen der Berater: Unternehmen mit einem wohl formulierten Purpose haben bessere Chancen auf dem umkämpften Markt der Talente. Blöd, wenn diese dann nicht darauf reinfallen. 

Es gibt aber noch mehr Kritik: Was hilft der schönste und edelste Unternehmenszweck, wenn die Tätigkeit an sich sinnentleert ist. Das ist ja das zweite Versprechen: Mitarbeiter engagieren sich stärker (und müssen deshalb nicht so gut bezahlt werden), wenn sie sich mit dem Unternehmen und seinem hehren Zweck identifizieren. Mag eine Weile funktionieren, bis auch das durchschaut wird, so wie bei der katholischen Kirche, bei der es lange gedauert hat, bis ihre „Mitglieder“ aufgewacht sind. Man muss eben schon sehr erstrebenswerte Dinge in Aussicht stellen wie das ewige Leben…

Nächster Kritikpunkt: Wenn es tatsächlich gelingt, alle Mitarbeiter hinter einem gemeinsamen Zweck zu vereinen, an den alle gleichermaßen glauben, dann bleiben am Ende eben nur noch genau diese übrig – der Rest wird das Unternehmen verlassen, damit „fehlen letztlich die kritischen Geister, die vor Fehlentwicklungen warnen“. Das halte ich zwar für unwahrscheinlich, weil Unternehmen keine Vereine oder Gemeinden sind, sondern ihre „Mitglieder“ bezahlen und auf sie angewiesen sind, aber zumindest dürfte die Hürde, sich kritisch zu äußern, bei „strenggläubigen Purpose-Unternehmen“ höher sein.

Schließlich finde ich die Kritik von Wolf Lotter (Strengt euch an!) erwähnenswert. Wenn Menschen von ihrem Unternehmen erwarten, dass diese ihnen den Sinn liefern, nach dem sie sich sehnen, dann ist das „schlimmstes Konsumverhalten“ („Wir brauchen den kritischen Zweifel“). Es sei die Aufgabe eines jeden, seiner Tätigkeit einen Sinn zu geben, und nicht die Aufgabe von Arbeitgebern. „Sieh an“, denke ich, „heißt es nicht neuerdings überall, dass eine der zentralen Aufgaben von Führungskräften ist, Sinnstifter zu sein?“ Fand ich schon immer höchst seltsam. Erwachsene, die ohne Sinn einer Tätigkeit nachgehen und sich diesen von Führungskräften erhoffen. 

Also eher Finger weg von Purpose-Claims – aber auch vom Purpose? Nach wie vor finde ich es ausgesprochen empfehlenswert, wenn sich Menschen, vor allem an der Spitze von Unternehmen, die Frage stellen, welchem Zweck ihre Tätigkeit gilt. Dazu muss man in sich hineinhorchen und keine Berater engagieren, die aus den verschiedenen Antworten nichts-sagende Slogans basteln. Und Führungskräfte könnten ihre Mitarbeiter fragen, welche Sinn sie tatsächlich in ihrer Aufgabe sehen. Einfach mal zuhören und die Antworten respektieren. Also nicht anschließend eine Predigt halten über den „tatsächlichen“ Zweck – also den, den die Führungskraft für sich gefunden oder den die Unternehmensleitung formuliert hat. Aber Zuhören ist meist nicht die Stärke der „Sinnstifter“…

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