INSPIRATION: Das ist mal eine Ansage: Es gibt einen Fahrplan, wie man aus einem hierarchischen Unternehmen eine agile und selbstorganisierte Unternehmung macht. Das Grundprinzip: Man fängt oben an und organisiert Führung neu. Denn „Agilisierung der Führung braucht Führung.“ Soll auch für große Organisationen funktionieren (Agil trotz Hierarchie). Die Basis liefert das Konzept der „kollegialen Führung“ nach Oesterreich/Schröder.
Wobei letzteres wohl eher für kleine und mittlere Unternehmen gedacht war. Wenn die Zahl der Beschäftigten bei über 200 liegt, müsste sich die Organisation aufspalten, um auch weiterhin agil funktionieren zu können. Das wiederum würde bedeuten, dass in großen Organisationen das Modell entweder gar nicht funktioniert oder zumindest nicht durchgängig – dass also Hierarchie und Selbstorganisation nebeneinander existieren. Was bekanntlich an den Schnittstellen zu argen Problemen führt.
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Kollegiale Führung
Wenn ich das Modell richtig verstehe, dann ist es sehr nahe am Modell der Soziokratie. In diesem gibt es zwar auch Hierarchien, aber Führung und Macht werden nicht an Personen und Positionen geknüpft, sondern in Kreisen ausgeübt. Und die Teilnehmer dieser Kreise werden zum Teil demokratisch aus den untergeordneten Kreisen bestimmt.
Bei der kollegialen Führung gibt es ebenfalls Kreise, in denen Führungskräfte tagen und Entscheidungen treffen. Das unterscheidet die Sache auch noch nicht von der klassischen Hierarchie. Wobei die Unternehmensleitung festlegt, wie dort entschieden wird und wer welche Befugnisse hat. Auch noch nicht neu. Aber jetzt kommt es: In der kollegialen Führung wird wie in der Soziokratie gemeinsam entschieden, z.B. nach dem Konsent-Prinzip. Einwände müssen integriert werden, erst wenn kein schwerwiegender Einwand geäußert wird, gilt eine Entscheidung. Damit ist das klassisch-hierarchische Prinzip ausgehebelt: Niemand hat die „letzte Entscheidung“.
„Hybridisierung“ der Organisation
Allerdings plädieren die Autoren in der managerSeminare dafür, die „Agilisierung“ oder „Hybridisierung“ der Organisation „mit Augenmaß“ anzugehen. Weil das Vorgehen mit gewählten Vertretern vielen zu radikal, die Veränderungen zu gravierend wären. Bei der schrittweisen Herangehensweise gibt es mehrere wichtige Maßnahmen:
- Die Zusammensetzung der Führungstreffen verändert sich, sie werden häufiger crossfunktional aufgestellt, auch hierarchie-übergreifend, also eher funktional als hierarchisch.
- Regelmäßige Aufgaben werden an Rollen geknüpft und diese jeweiligen Teilnehmern zugeordnet, also z.B. Einladender, Moderator, Dokumentator, Ökonom usw.
- In einer Delegationsmatrix wird festgelegt, welche Entscheidungen die Mitglieder selbstständig treffen können, welche gemeinsam gefällt werden, wo es Vetorechte der Geschäftsführung gibt und welche Entscheidungen nach wie vor bei der Geschäfts- bzw. Bereichs- oder Abteilungsleitung liegen. Je nach Fortschritt und Erfahrung kann diese Matrix regelmäßig angepasst werden, so ist der Schritt für die Leitung vermutlich leichter zu „ertragen“.
- Um den Fortschritt der gemeinsam beschlossenen Maßnahmen zu „monitoren“, gibt es den Führungsmonitor – vergleichbar mit einem Kanban-Board, auf dem jeder erkennen kann, wie es um die Bearbeitung der Aufgaben bestellt ist.
- Es gibt mehrere Arten von Meetings: Planungs- und Entscheidungstreffen, Dailys (bei denen in kurzen Treffen der Führungskreise der Fortschritt besprochen wird, Reviews (Wo stehen wir mit unserem Führungsmodell? Was funktioniert und ist bereits etabliert? Was kann weiter ausgerollt werden?) und Retrospektiven (hier wird die Zusammenarbeit im Kreis reflektiert: Was klappt? Wo hakt es?)
Die „Revolution“ beginnt an der Spitze
All das klappt natürlich nur, wenn es einen Beschluss von ganz oben gibt. Die „Revolution“ beginnt also an der Spitze. Hier wird deutlich gemacht, dass „Führung von Personen, Amt und Macht gelöst und auf Rollen übertragen wird.“ Nur wird all das nicht mit einem Schlag umgesetzt, sondern so nach und nach, die Hierarchie wird „fluide.“
Die Autoren geben zu, dass es dazu noch keine Langzeiterfahrungen gibt. Aber die Projekte, an denen sie beteiligt sind, verlaufen vielversprechend. Sie sind optimistisch, dass sich auf diese Weise aus teamleitergeführten Teams nach und nach agile selbstführende Teams entwickeln lassen. Hängt meines Erachtens alles davon ab, welche Erfahrungen die Leitung selbst in ihren Führungskreisen mit der Delegation von Entscheidungen macht. Inwieweit sie in der Lage ist, auch bei Rückschlägen und Hürden durchzuhalten und vor allem, inwieweit sie bereit ist, ihre Informationen und ihr Wissen zu teilen.