INSPIRATION: Das Thema Klimakatastrophe ist inzwischen in der letzten Ecke der Wirtschaft angekommen. Es trifft auch den kleinen Handwerksbetrieb oder den von Hermann Simon so gelobten Hidden Champion in der Eifel. Bemerkenswert ist daher, dass managerSeminare in der August-Ausgabe nun dem Thema Sustainability – Nachhaltigkeit – eine Themenstrecke widmet.
Wenn sich Unternehmen heute grüner aufstellen wollen, so Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbands Nachhaltige Wirtschaft (BNW), wird das ans Eingemachte gehen. Also nicht nur die Marktseite, sondern auch den eigenen Arbeitsalltag betreffen müssen. Es wird also alle Mitarbeiter angehen, und zwar in fünf Einsatzfeldern:
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- Grüne Energie beziehen und Emissionen sparen
- Mit der richtigen Bank zusammenarbeiten
- Klimaneutrale Mobilität fördern
- Veranstaltungen nachhaltig gestalten
- Unnötigen Müll vermeiden
Die Agenda treiben
Damit eröffnet sich ein weites Feld. Führungskräfte können sich nicht mehr herausreden und den Job an die CSR-Abteilung delegieren. Sie müssen selbst vor Ort zum Treiber werden und mitanpacken. Der Beitrag (Der Weg zum grünen Unternehmen) wartet mit vielen Hinweisen und Details auf. Führungskräfte halten damit schon die Agenda in der Hand. Und die Mitarbeiter sind ebenfalls gefordert, nicht nur mitzumachen, sondern auch selbst die Initiative zu ergreifen (Empowerment). Der durch die Corona-Pandemie erzwungene Einsatz von Homeoffice und Videokonferenzen zeigt, was geht. Es muss nun ein deutlicher Ruck durch die Unternehmen gehen.
Klimaneutralität macht sich als marketingträchtiges Label gut, findet Verbraucherschützer Georg Abel (Ablasshandel statt Ökowandel?). Doch man sollte sich und seinen Kunden mit einer CO2-Kompensation nichts vormachen. Die Investition in ein „klimapositives“ Projekt (etwa ein Aufforstungsprojekt) soll doch bloß die Treibhausgase, die man selbst verursacht hat, an anderer Stelle wieder ausgleichen. Ein Nullsummenspiel, die Kompensation ist freiwillig und kann doch nur der erste Schritt auf dem Weg zur Nachhaltigkeit sein. Als nächstes müsste man an die Reduktion von CO2 gehen, so Georg Abel. Stattdessen schmückt man sich lieber mit einem schicken Siegel. Das erinnert allzu sehr an die Kritik der Reformatoren am katholischen Ablasshandel im Mittelalter: Wenn die Münze im Beutel klingt, die Seele in den Himmel springt! – Heute nennt man das Greenwashing.
Sustainable Leadership
Es braucht eben Leadership, nicht bloß Management, so Georg Müller-Christ (Eine ständige Entscheidung). Der BWL-Professor aus Bremen sieht daher auch den Fachkräftemangel als Nachhaltigkeitsproblem. Denn „die Investition in Nachhaltigkeit hat also immer etwas damit zu tun, Ressourcenquellen zu pflegen, von denen ein Unternehmen abhängig ist.“ Das gelingt nicht im Singular, hier müssen Unternehmen gemeinsam aktiv werden. Nur auf die eigene Ökoeffizienz zu schielen, bringt immer weniger. Sie ist nur die altbekannte Fortsetzung betriebswirtschaftlicher Rationalisierung. Nachhaltigkeitsentscheidungen sind mit solchen „Spielchen“ (wie Abwälzen des eigenen Problems an die Konsumenten) nicht zu erreichen.
Sustainable Leadership muss das betriebliche Entscheidungsspiel mit allen fünf Prämissen gleichzeitig spielen (Effizienz, Funktionalität, Legalität, Ethik, Nachhaltigkeit). Dabei ist „die Unvereinbarkeit der Prämissen nicht nur auszuhalten, sondern so zu gestalten, dass nicht immer nur Effizienz und Funktionalität gewinnen.“ Solche Dilemmata auszuhalten, benötigt Ambiguitätstoleranz und eine systemische Kompetenz. Georg Müller-Christ bietet dazu eine Methode an: Wipolog, ein Kunstwort, das verdeutlicht, dass es entscheidend ist, Widersprüche zu akzeptieren, Pole zu erkennen und logische Bewältigungsmöglichkeiten einzusetzen. So wird Führung hoch politisch.
Alle müssen anpacken
Vielleicht müssen wir alle umdenken und unsere Lebensweise radikal ändern? Michael Kopatz (Weniger bringt mehr) hat so einen Vorschlag: Reduzierte Wochenarbeitszeiten – ohne Lohnausgleich. „Weniger Arbeitszeit bedeutet auch weniger Konsum, und das wiederum bedeutet sinkenden Ressourcenverbrauch.“ Auch das konnte die Corona-Pandemie lehren: Unsere Keller, Dachböden, Kleiderschränke etc. sind vollgestopft mit überzähligem Material. Was für eine Ressourcen-Verschwendung!
Je mehr Geld wir haben, um so mehr konsumieren wir: Weil wir es können. Der materielle Wohlstand hat sich in Deutschland seit den 1970er-Jahren verdreifacht. „Wer viel arbeitet, hat wenig Zeit. Beispielsweise zu wenig Zeit, um frisches Gemüse zu verarbeiten oder gar anzubauen, statt es tiefkühlfertig zu kaufen. Zu wenig Zeit, um Dinge zu reparieren. Zu wenig Zeit, um seine Wäsche aufzuhängen, statt sie in den Trockner zu stecken. Zu wenig Zeit, um zu radeln, statt Auto zu fahren.“ In der Wissenschaft nennt man das den Rebound-Effekt: Man fährt mit dem Auto ins Fitnesscenter, um sich dort auf ein Trainingsrad zu setzen.
Geld und Besitz sind wichtig – als Hygienefaktor. Sinn, Freundschaften, Gesundheit, Kultur etc. sind allerdings die immateriellen Sachen, die Menschen glücklich machen. Ein verringertes Bruttoeinkommen wäre für weite Teile der Bevölkerung tragbar. Doch werden persönliche Gewohnheiten und gesellschaftliche Konventionen infrage gestellt. Schnell werden deshalb Einwände laut: Fachkräftemangel, unersetzliche Führungskräfte … Es braucht eine gesellschaftspolitische Debatte und Rahmensetzung. Da ist sie wieder: Die Rede vom Ruck, der durch die Unternehmen gehen muss.