REZENSION: Heinz Schuler / Yvonne Görlich – Kreativität. Hogrefe 2007.
Die Fülle an Ratgeberliteratur zum Thema Kreativitätstechniken ist unüberschaubar. Gerne wird dort der Leserschaft ein Kreativitäts(quanten)sprung versprochen. Doch das kann man – nach der Lektüre dieses Buchs – getrost vergessen. „Trainingsprogramme zur Förderung der Kreativität in Beruf und Alltag enthalten vor allem dreierlei: motivationsförderliche Aussagen, Rätselspiele wie Streichholz- und andere Knobelaufgaben sowie Empfehlungen für die abwechslungsreiche Gestaltung des Alltags.“ Das sagt nicht irgendwer, sondern einer der profiliertesten Personalpsychologen Deutschlands und Koautor dieses Buchs.
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Und er erklärt selbstverständlich auch, warum. Kreativität ist beispielsweise hoch korreliert mit Intelligenz. Und die lässt sich nun mal nicht trainieren. Natürlich muss noch mehr dazu kommen, Motivation beispielsweise, Selbstvertrauen, Offenheit. Die psychologische Forschung hat hier einiges zutage gefördert. Und die Autoren, von Hause aus Eignungsdiagnostiker, schöpfen hier aus der Fülle. Kreativität alleine reicht aber auch nicht. Damit aus ihr Innovation wird, werden „unternehmerische“ Kompetenzen benötigt – über die „Künstler“ oftmals nicht verfügen. Womit wir bei den Kontextfaktoren wären, dem Arbeitsumfeld, der Arbeitsgruppe, der Führung, der Kultur und dem Klima. Auch zu diesen Bereichen gibt es eine Fülle an empirischen Forschungsergebnissen, die in diesem leicht verständlichen Buch referiert werden.
Kreativität allein reicht nicht
Die Passung von Person und Kontext ist also entscheidend – und genau diese wird in der gängigen Ratgeberliteratur gerne stiefmütterlich behandelt. Das Ergebnis ist dann vorhersehbar: Steigert sich meine Kreativität nach Lektüre eines Kreativitätsratgebers (oder eines solchen Trainings) nicht gravierend, dann habe ich es offenbar an der Motivation vermissen lassen. Habe ich trotz Üben zahlreicher Streichholz- und Knobelaufgaben immer noch nicht den Stein der Weisen gefunden, liegt es wohl daran, dass ich immer noch nicht hart genug gearbeitet habe – und nicht daran, dass deren Manko darin besteht, ein Problem vorzugeben, das zu lösen ist. Schuler an anderer Stelle: „Kreative Leistungen bestehen aber oft gerade darin, ein Problem zu entdecken, das andere nicht gesehen haben.“ Wie fragte schon Bert Brecht in „Fragen eines lesenden Arbeiters“ (1928): „Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein?“ Es braucht also auch Menschen, die an die einzigartigen Genies und Helden glauben, damit sich Kreativitätsratgeber verkaufen. Die Leser diese Buchs werden es nun besser wissen – und hoffentlich den Hebel an anderer Stelle ansetzen.
Eine schöne, überschaubare und doch gediegene, zudem preiswerte Einführung ins Thema. Wer sich wissenschaftlich noch tiefer ins Thema einarbeiten möchte, sei auf die Veröffentlichungen der Münchener Arbeitsgruppe um Dieter Frey (Enzyklopädie der Psychologie) verwiesen.