11. September 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Durchdachtes Preboarding?

KRITIK: Na klar, mit einem guten Onboarding ist es nicht getan. Angeblich zeigen Studien, dass bis zu 30% der neuen Mitarbeiter zwischen Vertragsunterschrift und erstem Arbeitstag kündigen (Die „Probezeit-Falle“ vermeiden). Das ist zwar bitter, aber kann vermieden werden. Wie? Durch richtiges Preboarding. Soll heißen: Man wartet nach der Vertragsunterschrift nicht entspannt, ob sich der Neue auch wirklich blicken lässt, sondern hält fleißig den Kontakt.

Wie? Na, schon zig-mal gelesen: Regelmäßige Infos per Mail verschicken, anrufen, zu Teammeetings einladen, mal mittags Essen gehen. Es soll auch schon passende Apps für solche Aktivitäten geben. Dazu noch kleine Willkommensgeschenke – und schon senkt man die vorzeitige Kündigungsrate. Wer möchte schon ein so nettes Unternehmen enttäuschen?

Aber natürlich ist es damit nicht getan. Anschließend muss ein gut organisiertes Onboarding erfolgen. Das ist, so der Experte, nicht nur Aufgabe der Personalabteilung, sondern Teamarbeit. Es folgen die üblichen Tipps, von wegen Einarbeitungsplan, klare Verantwortlichkeiten, persönliche Betreuung, Stichwort Mentor (Buddyprogramm), Führung durch alle Abteilungen, lockerer Austausch mit der Geschäftsführung usw.

Ein Fallbeispiel

Dass so etwas funktioniert, zeigt ein Beispiel aus der Logistikbranche. Ein Unternehmen mit 120 Mitarbeitenden hatte das Problem, dass 25% der Neulinge während der Probezeit kündigten – wie viele mögen das wohl gewesen sein? Aber egal, jeder Fall ist einer zu viel. Also analysierte man die Ursachen, setzte man ein entsprechendes Progamm auf und evaluierte die neuen Prozesse sechs Monate später. Alle waren jetzt zufrieden – die Neuen fühlten sich gut integriert, die Zusammenarbeit zwischen HR und Fachabteilung hatte sich verbessert, Feedback während der Probezeit sorgte dafür, dass Unzufriedenheit früher angegangen werden konnte, und das Preboarding fand großen Zuspruch.

Sechs Monate später – großartig. Das ist ein beeindruckendes Ergebnis, auch wenn da noch nicht viele Neulinge über die Probezeit hinaus sein können. Klinge ich ironisch? Ist so gedacht. Dass man während der Probezeit regelmäßig miteinander sprechen sollte (und möglichst danach auch), ist eine erschütternde Erkenntnis. Was, das muss ich zugeben, tatsächlich keine Selbstverständlichkeit ist.

Wenn es schon eine Personalabteilung in einem Unternehmen gibt, und die ihre Schäfchen kennt – warum meldet sie sich nicht regelmäßig bei den Neulingen und fragt, wie es denn so läuft? Und bei den Führungskräften und Kollegen mit der gleichen Frage? Wäre doch mal eine sinnvolle Beschäftigung. Oder hat sie Wichtigeres zu tun, vielleicht an einer neuer Stellenausschreibung basteln?

Die Kollginnen einbinden?

Aber mal grundsätzlicher: Die Idee, strukturierte Prozesse zu schaffen, damit neue Mitarbeitende sich wahrgenommen fühlen, am besten schon vor dem ersten Arbeitstag, ist verständlich. Nur fehlt mir hier ein entscheidender Hinweis: Wer wählt die Neuen denn aus? Die Führungskraft zusammen mit HR? Um anschließend dem Team mitzuteilen: „Demnächst kommt ein Neuer. Meldet euch mal bei ihm und kümmert euch liebevoll um ihn, damit er nicht sofort wieder wegläuft!“.

Ich fürchte, die Praxis, die Kolleg*innen bei der Auswahlentscheidung zu übergehen, ist nach wie vor an der Tagesordnung. Rekrutierung ist Chefsache, der kann am besten beurteilen, wer ins Team passt. Oder ihm passt. Was wäre, wenn sich das Team auf den Neuen verständigt und sich auf ihn freut (Den Kollegen selbst auswählen)? Und die Bewerberin feststellt, dass sie vor Ort willkommen ist? Wie groß ist dann die Chance, dass sie länger bleibt? Zumal das soziale Umfeld in einem Unternehmen einen der stärksten Hygienefaktoren darstellt. Wie oft habe ich gehört, dass die Kollegen vor Ort den Neuen an seinem ersten Arbeitstag überhaupt zum ersten Mal zu Gesicht bekommen. Wie groß ist da wohl die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas wie Freude aufkommt?

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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