7. Juni 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Nutzlose Erfolgsformeln?

INSPIRATION: Die Sehnsucht nach Erfolgsrezepten ist allgegenwärtig. Sie existiert nicht nur in Unternehmen, sondern praktisch auf jedem Gebiet. Ob wir das perfekte Leben suchen oder den perfekten Garten, ob wir die Erfolgsformel für die einzig wahre Ernährung, die wahre Partnerschaft, die optimale Erziehung – letztlich geht es darum, mit einem möglichst einfachen Rezept zum Ziel zu kommen. Wie praktisch, wenn dann jemand um die Ecke kommt und uns erklärt: „Du musst nur …, das hat xy so gemacht und war damit extrem erfolgreich.“

Ob die dann vorgebrachte Formel überhaupt die Ursache für den Erfolg war, ist schon mal die eine Frage. Und selbst wenn: Was bei dem einen funktioniert, muss bei dem anderen noch lange nicht gelingen. „Im Management wird es niemals Standardrezepte geben“, sagt Richard Straub (Mach das Beste draus!). Und trotzdem gibt es sie. Warum?


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Die Quelle des Übels sind angeblich die Case Studys der Business Schulen. Ursprünglich eingeführt von einem Dekan der Harvard Law School, der Jurastudenten Gerichtsfälle analysieren ließ, inspirierte die Idee den Dekan der Harvard Business School 30 Jahre später. Seitdem trat die Fallstudie ihren Siegeszug um den Globus an. Das Muster ist stets das Gleiche: Man suche die Faktoren, die den Erfolg ausmachten und untersuche, warum etwas funktioniert (oder auch nicht). Im Grunde kein unsinniges Vorgehen. Das Problem ist nur, wenn dann ein Faktor entdeckt wird, dann entsteht hieraus u.U. ein sogenanntes Best Practice-Konzept. Was ursprünglich als Inspiration gedacht war, wird nun zur Zauberformel, die nun zur Imitation einlädt.

Management Fashion Cycles

Und manche dieser Formeln schaffen es dann, zur Mode zu werden. Dann kommen sie zum Einsatz, nicht weil sie so ungeheuer wirkungsvoll sind, sondern weil sie populär sind. Wie eben auch auf all den anderen Gebieten, die oben angesprochen wurden. Wenn die Popularität dann nachlässt, verschwinden sie auch wieder – „Management Fashion Cycles“.

Warum aber sind sie so verlockend? Vermutlich, weil sie den schnellen, den unkomplizierten und einfachen Weg zum Erfolg versprechen. In der Wirtschaft begann das mit dem Taylorismus, später schoben Tom Peters und Rober Waterman mit „In Search of Excellence“ den Siegeszug der Management-Modelle an. Wieder 20 Jahre später war es Jim Collins mit „Good to Great“. Auffallend, dass sich alle mit dem Etikett „streng wissenschaftlich“ schmückten. Was nicht unbedingt stimmte, aber der Beliebtheit keinen Abbruch tat.

Andererseits: Sollte man denn nicht von anderen lernen? Es existiert doch, dieses Lernen am Vorbild, zum Glück muss nicht jeder das Rad neu erfinden. Also warum nicht auch von anderen Organisationen abkupfern (Benchmarking war ja auch so eine Management-Mode)? Schließlich war der alte Henry Ford doch mit dem Taylorismus ungeheuer erfolgreich, und Toyota funktioniert dank Kaizen bis heute prächtig und hat auch in anderen Unternehmen der Branche eingeschlagen.

Die Antwort lautet: Kontext. Natürlich sind bestimmte Formeln in bestimmten Zusammenhängen wirksam. Aber nur selten sind die Zusammenhänge so ähnlich, dass das klappt. Das Umfeld von Unternehmen ist so komplex – heute mehr denn je – dass die Rahmenbedingungen für jedes Unternehmen extrem unterschiedlich sind. Die genannten Konzepte, so die Erklärung, funktionieren dort, wo „Standardisierung, Regulierung oder Effizienz im Mittelpunkt stehen“. Wo das der Fall ist, können bewährte Methoden helfen.

Aber wenn es um Dinge wie Kreativität, Innovation, Kooperation, Kultur, Kommunikation, Entscheidungsstrukturen geht, sieht die Sache anders aus. Da mag das Modell von Spotify dort funktionieren (angeblich tut es das gar nicht), aber woanders scheitert es, weil nun mal die Strukturen und Gewohnheiten völlig anders sind. Was tun?

Den eigenen Weg finden

Seinen eigenen Weg gehen, lautet die banale Antwort. Sich durchaus inspirieren lassen, aber sich dann das herauspicken, was vielleicht doch passt. Vor allem aber: Nicht nur darauf schauen, was so toll funktioniert, sondern auch mal fragen, wo die Umsetzung des gleichen Modell eben nicht funktioniert hat und warum nicht?

Beispiele bietet der Originalbeitrag. Da gibt es das Mantra von Steve Jobs: „Fail fast, fail often“. Was zu der Idee geführt hat, dass Scheitern eine gute Sache sei. Studien zeigen, dass diejenigen, die einmal gescheitert sind, beim zweiten Versuch kaum besser abschneiden. Wer beim ersten Mal erfolgreich war, hat deutlich bessere Chancen.

Oder das Mantra von Herrn Zuckerberg „Geschwindigkeit geht vor Perfektion“. Diese „Move fast-Mentalität“, so zeigen Untersuchungen, führt zu ethischen Fehltritten. Und was inzwischen klar ist: Etliche der besonders erfolgreichen Unternehmen aus dem Bestseller von Peters und Waterman sind heute vom Markt verschwunden, ebenso einige der großartigen Companys von Jim Collins sind inzwischen Geschichte.

Tröstliche Erkenntnis: Kein Erfolgsrezept währt ewig. Und wenn jemand daherkommt und uns erklärt, was angeblich so wunderbar woanders funktioniert, dann sollten wir durchaus neugierig hinschauen, aber eben auch mal die Frage stellen: Wo hat denn die Umsetzung dieses Ansatzes nicht so toll geklappt? Oder auch mal genau schauen, ob die Rahmenbedingungen vergleichbar sind, ehe wir anfangen, unser eigenes Modell umzukrempeln.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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