14. Juni 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Praxisbeispiele für Team-Coachings

REZENSION: Jörg Middendorf (Hrsg.) – Praxisbuch Reteaming. Coaching und Workshops lösungsfokussiert bestalten. BoD 2025.

Viele Team-Workshops laufen noch nach einem bekannten Muster ab: Es gibt ein oder mehrere Probleme, diese werden beschrieben, analysiert und dann macht sich das Team auf die Suche nach Lösungen. Begleitet von einer professionellen Moderatorin, die sich alle Mühe gibt, das Ganze zu einem Erfolg zu machen. Wobei die Vorgehensweise ihr und dem Team das Leben eher schwer macht. Denn wenn Probleme benannt und die Ursachen hierfür gesucht werden, dann erzeugt dies in uns Menschen das dringende Bedürfnis, sich zu rechtfertigen. Die Suche nach den Schuldigen ist dann nicht weit. Was nicht bedeutet, dass am Ende vielleicht doch eine Lösung steht, aber der Weg dorthin ist eher beschwerlich.


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Beim Reteaming, das auf ein Konzept von Tapani Ahola und Ben Furman, beeinflusst von den Prinzipien der lösungsfokussierten Therapie, zurückgeht, gibt der Moderator dem Team von vornherein eine andere Ausrichtung an die Hand. Die zentralen Fragen lauten: Wie soll das Team in Zukunft funktionieren? Welche Ziele hat es? Wie viel Fortschritt auf dem Weg zum Ziel hat das Team bereits erreicht? Und welche Ressourcen sieht das Team bei sich und anderen, die die Erreichung des Ziels ermöglichen?

Lösungsfokussierung

Wer sich mit dem lösungsfokussierten Ansatz beschäftigt hat, wird hier wissend nicken. Und dankbar sein für ein Buch, das zum Einstieg noch einmal die 12 Schritte des Reteamings vorstellt, im Anschluss daran dann 16 Fallbeispiele präsentiert, die aus ganz unterschiedlichen Organisationszusammenhängen stammen. Darunter Konzerne, Behörden, Kindergärten, Non-Profit-Organisationen usw. Vorweg beschreibt der Herausgeber noch einige Tools, die er und seine Mitstreiter gerne in Reteaming-Workshops einsetzt, so u.a. „die Vorstellung einmal anders“ oder „Unser Weg nach Bali“.

Dann geht es los mit drei Fallbeispielen von Einzelcoaching mit den 12 Schritten, gefolgt von 13 Workshop-Berichten aus den erwähnten sehr verschiedenen Bereichen. Vorangestellt wird jeweils der Anlass (Optiminerung und/oder Spannungen), das Klima im Team (von positiv bis negativ) und die Dauer des Workshops. Die Berichte beginnen mit der Beschreibung des Kunden, des Vorgespräches, Benennung des jeweiligen Mottos, das vom Auftraggeber festgelegt wird, und den Rahmenbedingungen.

Anschließend wird der Verlauf des Workshops oder mehrerer Workshops beschrieben, am Ende das Ergebnis zusammengefasst und die Erkenntnisse dargestellt, die die jeweilige Moderatorin oder der Moderator hieraus für sich gezogen hat.

Die Ressourcen im Team

Dass das Konzept funktioniert, steht für mich außer Frage – einfach, weil ich es selbst schon häufig eingesetzt habe. Ich weiß, wie skeptisch viele Teams am Anfang sind und wie erleichtert, wenn es eben nicht darum geht, was wo falsch gelaufen ist und wer etwas hätte anders machen müssen. Und wenn nicht vor allem über die Umstände geklagt wird. Und alle den Eindruck haben, dass sich ja doch nichts ändert. Beim Reteaming erfahren die Teilnehmer, welche Ressourcen in ihrem Team stecken, wofür es sich lohnt, sich zu engagieren, welche Hindernisse sich ihnen vermutlich in den Weg stellen werden und wie sie diese überwinden können. Und sie entwickeln erste Lösungsschritte, die „Baby-Steps“, die sie unmittelbar nach dem Workshop in Angriff nehmen. Alles, was sie benötigen, um ihrem gemeinsam formulierten Ziel näher zu kommen.

So ist dann auch meist das Fazit am Ende eines jeden Fallbeispiels. Das, was mich hier und da zum Schmunzeln gebracht hat, war die große Variabilität im Vorgehen. Manche schafften es, tatsächlich 1,5 Tage mit einer Gruppe zu arbeiten, andere mussten sich auf viele kürzere Sitzungen einlassen. Häufig hatten die Moderator*innen deutlich weniger Zeit als hilfreich gewesen wäre. Und immer wieder wird begründet, warum einzelne Schritte aus dem originären Ansatz weggelassen wurden, am Ende das positive Ergebnis dennoch erreicht wurde. Sympathisch an den Darstellungen ist auch die Offenheit, mit der kritische Momente geschildert werden und wie mit diesen umgegangen wurde.

Sonderwünsche

Ein auch für mich bekanntes Problem: Häufig haben Auftraggeber „Sonderwünsche“. Sie wollen unbedingt bestimmte Methoden zum Einsatz bringen, die sie selbst schon erlebt haben. Oder haben ein Spezialthema, das irgendwie mit behandelt werden soll. Oder sind am Ende gar nicht Teil des Teams, das am Workshop teilnimmt – eine besonders knifflige Situation (auf die ich mich heute nicht mehr einlassen würde).

Was mich etwas stört: Die Praxisbeispiele sind unterschiedlich konkret. Mal werden inhaltliche Details aus den Ergebnissen der Teams dargestellt, mal wird der Ablauf eher oberflächlich beschrieben. Mitunter habe ich mich gefragt, an welchem Schritt des Reteamings befindet sich der Autor/die Autorin gerade. Für Leser, die die Methode noch nicht im Detail kennen, dürfte das verwirrend sein. Andererseits macht es auch deutlich, wie vielseitig die Einsatzmöglichkeiten sind, und wie gut die Methode auch Veränderungen am Ablauf verkraftet.

Für alle, die ihren Moderatoren-Kolleg*innen mal über die Schultern schauen möchten und Anregungen für die eigenen Arbeit suchen, auf jeden Fall eine Empfehlung.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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