23. August 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Sozialer Grunzer

KRITIK: Es klingt ach so einleuchtend. Menschen tendieren dazu, ihr Gegenüber zu imitieren. Sitzt der eine mit gekreuzten Beinen vor oder neben mir, nehme ich ganz unbewusst die gleiche Haltung ein. Lächle ich jemand an, lächelt er zurück. Verschränke ich die Arme, tut sie es mir gleich. Kommen ihm die Tränen, spüre ich auch den Drang zu weinen. Holt der Spieler zum Freistoß auf, kickt der Trainer unwillkürlich mit. Warum? Weil da in unserem Hirn die berühmten Spiegelneuronen aktiv werden. Vielleicht, denn so ganz sicher ist sich die Forschung da wohl nicht.

Das aber hält die „Fachleute“ nicht davon ab, uns in regelmäßigen Abständen darauf hinzuweisen, wie man es doch geschickt anstellt, andere in bestimmte Stimmungen zu versetzen. Wie? Indem wir sie einfach hier und da, zum Beispiel im Einstellungsinterview, ein wenig imitieren. Der Chamäleon-Effekt sorgt dafür, dass sich der andere besser verstanden fühlt, den Eindruck hat, ihm gegenüber sitzt jemand, der ihn versteht oder zumindest verstehen will.


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„Die Spiegelung setze ich ein, um dem Gegenüber das Gefühl zu geben, auf Augenhöhe zu sein“, wird hier ein Manager zitiert (Schmeicheleinheiten). So kann eine „womöglich vorhandene Hierarchie ein wenig gesenkt werden.“ Aus dem unbewussten Spiegeln wird ein Tool, ein Taschenspielertrick. Der sogar funktioniert, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. Ich saß einmal in einem Workshop, wo ein Moderator im Rollenspiel mit einem nicht eingeweihten Teilnehmer diesen zunächst nachahmte und ihn anschließend dazu brachte, die Haltung des Moderators nachzuahmen.

Lieber wirklich zuhören

Die „Experten“ gehen noch weiter. Man solle nicht nur die Haltung imitieren, sondern auch die Ausdrucksweise. Wenn der Kunde z.B. Sportmetaphern verwendet, nutze man selbst welche. Also eine echte Empfehlung für alle, die sich in der Kunst der Kommunikation verbessern wollen?

Der werte Leser ahnt, was ich davon halte. So ganz und gar – überhaupt nichts. Und zwar aus einem sehr einfachen Grund: Wer an einem ernsthaften Gespräch oder besser: Dialog interessiert ist, der wendet seine Aufmerksam voll und ganz seinem Gegenüber zu. Und zwar dem, was dieser uns mitteilt oder mitteilen möchte. Sich ganz auf die Botschaft zu konzentrieren ist schon eine Kunst, die die wenigsten beherrschen, weil sie meist schon damit beschäftigt sind, ihre eigenen Antworten zu formulieren, ehe der andere seinen Gedanken vollendet hat.

Sich daneben noch mit seiner Körperhaltung, seinen Metaphern oder Gestik zu beschäftigen und diese dann sogar noch nachzuahmen, dürfte die Aufnahme der Botschaften massiv beeinträchtigen und dem anderen sehr schnell das Gefühl vermitteln, es sitzt im jemand gegenüber, der mit allem möglichen beschäftigt ist, aber sicher nicht mit Interesse zuhört. Nonverbale Signale und Metaphern mögen einem geschulten Coach oder Therapeuten interessante Hinweise bieten, aber seriöse Vertreter dieser Zunft werden sich hüten, diese Erkenntnisse für Taschenspielertricks zu nutzen. Im täglichen Miteinander hat dieser Quatsch sicher gar nichts zu suchen.

Lächeln ist erlaubt

Ach ja, den sozialen Grunzer muss ich noch erklären. Da wird empfohlen, hin und wieder zu nicken und dieses mit einem Laut der Zustimmung zu verbinden. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber auch das wird rasch zum Tool. Man stelle sich jemanden vor, der nach jedem dritten Satz nickt und ein „ehem“ von sich gibt. Weil er das so gelernt hat. Wie schnell wird das nerven und den anderen sogar aus der Fassung bringen.

Und das Lächeln? Auch Unsinn? Natürlich nicht. Wenn Sie das nächste Mal in der S-Bahn sitzen und einen missmutig dreinschauenden Mitreisenden anlächeln, werden Sie staunen, wie oft Ihr Lächeln erwidert wird. Aber wenn Sie ihn drei Stunden lang angrinsen oder alle fünf Minuten anstrahlen, wird er vermutlich den Platz wechseln. Will sagen: Wenn Ihnen nach einem Lächeln oder einem zustimmenden Nicken zumute ist, dann sollten Sie der Regung nachgeben, und das besser einmal mehr als zu selten. Alles andere ist – einfach Quatsch. Auch wenn die Weisheiten in der Serie „Summer School“ der Wirtschaftswoche verbreitet werden.

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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