INSPIRATION: Im Harvard Business Manager berichtet der Chef eines Softwareanbieters mit 5000 Mitarbeitern, warum er eine feste Urlaubsregelung abschaffte und es den Mitarbeitern überlässt, wie viele Tage im Jahr sie freinehmen. Interessant ist die Frage des Vertrauens.
Der Chef von Kronos stand vor dem Problem, dass seine Personaler sich schwer taten, die begehrten Fachkräfte zu rekrutieren. Mehr als 300 offene Stellen waren zu besetzen, und bei den Gesprächen mit den erfahrenen Bewerbern stellte sich heraus, dass sie woander bis zu fünf Wochen Urlaubsanspruch hatten.
Also entschied man sich, dem Vorbild von Netflix zu folgen und den Mitarbeitern die Wahl zu überlassen, wie viel Urlaub sie im Jahr nehmen wollten. Wobei die Spielregeln wohl so aussehen, dass der Urlaub vom Vorgesetzten genehmigt werden muss und dass die Zahl der Urlaubstage dokumentiert wird – was bei einem Anbieter von Personalmanagement-Software kein großes Problem darstellte.
Erstes Fazit des CEOs Aron Ain, der den Beitrag geschrieben hat (Freie Hand bei freien Tagen): Die Befürchtungen, Mitarbeiter könnten das ausnutzen und viel mehr Urlaub als zuvor nehmen, hat sich nicht bestätigt, auch wenn die durchschnittliche Zahl an Urlaubstagen von 14,0 auf 16,6 gestiegen ist. Für deutsche Verhältnisse eher schockierend – hat man hierzulande doch schon gesetzlich ein Anrecht auf 20 Urlaubstage im Jahr.
Von daher könnte man den Artikel getrost beiseite legen, weil hierzulande Vater Staat den Urlaub geregelt hat. Allerdings finde ich doch einiges aus der Darstellung interessant. Da ist zum einen die hohe Zustimmung unter den Mitarbeitern für das Modell. Und das, obwohl damit klar war, dass es nicht mehr möglich war, Urlaub anzusparen und sich zum Beispiel bei Kündigung oder beim Übergang in die Rente die Tage auszahlen zu lassen. Übrigens offenbar ein Grund für andere Unternehmen in den USA, diese freie Wahl der Urlaubstage einzuführen – um genau diese Kosten zu sparen. Was dann nicht gut funktioniert, wie man sich denken kann.
Doch die Mitarbeiter bei Kronos begrüßten das Modell – vor allem deshalb, weil sie damit nicht mehr auf den Tag genau planen müssen, wann sie zu Hause bleiben, sondern sicher sein können, auch bei unerwarteten Ereignissen dem Arbeitsplatz fernbleiben zu können.
Die Gruppe der Widerständler lag wie erwartet bei ca. 5%. Da waren einmal einige Führungskräfte, die ungern jedes Mal die Entscheidung treffen wollten, ob sie einen Urlaubsantrag genehmigen sollten und fürchteten, dass ihre Mitarbeiter das ausnutzen würden. Ihnen wurde geraten, einfach immer alle Anträge zu unterschreiben und den Mitarbeitern zu vertrauen. Vor allem aber wurde ihnen deutlich gemacht, dass es gerade das Bedürfnis der Führung war, dass die Mitarbeiter mehr Urlaub machen und sich um ihre Familie kümmern sollten. Mit anderen Worten: Die Führungskräfte bekamen den Rücken von ganz oben gestärkt.
Die zweite Gruppe waren eben diejenigen, die schon Urlaub angespart hatten und nun diesen bedroht sahen. Und die dritte Gruppe waren Mitarbeiter, die schon viele Jahre im Unternehmen waren und deren Urlaubsanspruch im Laufe der Jahre gewachsen war. Sie fühlten sich jetzt um diesen Verdienst betrogen, weil plötzlich alle den gleichen Anspruch hatten. Typische Probleme bei einem Systemwechsel. Mit den Betroffenen wurden viele Einzelgespräche geführt, um die Bedenken auszuräumen. Auch ein bemerkenswertes Vorgehen, bei denen sich der CEO selbst beteiligte.
Das ist die zweite interessante Erkenntnis aus dem Beitrag: Dem Management war klar, dass die neue Regelung leicht als der Versuch, Kosten zu sparen, verstanden werden konnte und damit hätte scheitern können. Also führte man gleichzeitig eine Reihe von Regelungen ein, die Geld kosteten: Verlängerung des Mutterschutzes und der Elternzeit, ein Stipendienprogramm für Mitarbeiterkinder, ein Programm zur Unterstützung bei Kinderbetreuung. So flanktierte man die neue Regelung und sandte eine klare Botschaft an alle: Wir meinen es ernst, und es geht nicht um Kostenersparnis.
Die Folge: Der erwähnte leichte Anstieg bei den Urlaubstagen, kein Missbrauch der neuen Regel, ein höherer Wert bei der Zufriedenheit mit dem Arbeitgeber, geringere Fluktuation und das erfolgreichste Jahr in der Unternehmensgeschichte. Es lohnt sich vielleicht doch, einmal ein System zu ändern und dabei mit einem Vertrauensvorschuss auf die Mitarbeiter zuzugehen. Zumindest beim CEO von Kronos klingt das glaubwürdig.