INSPIRATION: Zuletzt konnte man mehrfach hören: Consulting gibt’s bald nicht mehr! – Wegen KI … Denkste! Ein witziger Beitrag, der Eins und Eins zusammenzählt. Und uns das Beraterhandwerk genüsslich erklärt.
Ein amüsanter Beitrag mitten in einer eher langweiligen Schwerpunktausgabe der changement. Autor Thomas Deelmann (Entwicklungslinien der Consulting-Industrie) erklärt, wie die Consulting-Industrie funktioniert: Von Strategie und Reorganisation über New Work und ESG bis hin zu KI – die haben alles drauf. Zuletzt konnte man mehrfach hören: Die gibt’s bald nicht mehr! Wegen KI.
Autor Deelmann lässt erst einmal die Zahlen sprechen: „Rund 240.000 Menschen arbeiten nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) in der Branche, davon 192.000 als Consultants.“ Der Autor vergleicht das süffisant mit der Einwohnerzahl von Städten wie Mainz oder Magdeburg. Oder: Die Consultants erzielen einen Gesamtumsatz von 48,7 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: „Dies ist mehr, als die Land-, Forstwirtschaft und Fischerei, also der sogenannte Primärsektor der Volkswirtschaft, zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beitragen.“ Hätten Sie’s gewusst?
100 Jahre Consulting
Consulting gibt es hierzulande seit über 100 Jahren. Wussten Sie, dass das „Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit“ (RKW) und der „Reichsausschuss für Arbeitszeitermittlung“ (REFA) schon nach dem ersten Weltkrieg gegründet wurden? Tja … Und kennen Sie auch das böse Schimpfwort für REFA? RE-FAschisten. Weil sie halt in der Tradition von Henry Ford stehen. Was hat der mit …? Googlen Sie mal Henry Ford … Es gibt einen Grund, warum Aldous Huxley uns geraten hat, den Großen Bruder zu lieben (Schöne neue Welt).
Ok, genug der Vorlesung – wobei … mehr dazu in meinem Masterkurs 😉. Hier geht es um den Aufstieg von McKinsey & Co. (nach dem WK 2). Zunächst haben diese Unternehmen Gutachten produziert. Dann die berühmten Masterpläne (die man dann „nur noch“ umsetzen musste). Später boten sie auch großzügig und gut dotiert die Umsetzung an. Dann folgte die Ära der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Und schließlich folgte das „Bodyleasing“: Man half den Unternehmen mit Personal aus, um den Change zu wuppen.
Brain, Body, Brand
Das „Was“ änderte sich im Laufe der Zeit (Managementmoden). Das „Warum“ lässt sich in drei Aspekten benennen:
- Brain = Fachkompetenz: Der Kunde hat eine Kompetenzlücke, die die Beratung füllt.
- Body = Ressourcen: Dem Auftraggeber fehlen temporär die passenden Mitarbeitenden.
- Brand = Reputation: Der externe Dienstleister wird als „Guru“ gerufen. Muss aber manchmal auch – gegen „Schmerzensgeld“ – für „unerhörte“ Botschaften die Prügel als „Sündenbock“ einstecken.
Was wird die Zukunft bringen? Auguren prophezeien das Ende des klassischen Beratungsmodells, seit KI auf den Plan getreten ist. Gen-KI könne bereits heute viele Aufgaben übernehmen, die normalerweise von Consulting-Berufseinsteigern – den Junior-Consultants – bearbeitet werden. Früher nannte man das den „Großen Kopierschein“. Später waren es dann umfangreiche Power-Point-Präsentationen.
Autor Deelmann grinst nicht hörbar süffisant und verweist auf das Beharrungsvermögen der großen Beratungshäuser. Das Geschäftsmodell vieler Beratungen sei schließlich Wachstum. Er nennt es die „Hoffnungsmaschine“: Die Juniorberater:innen hoffen als Berufseinsteiger auf wertvolle Erfahrungen und eine attraktive Karriere. Die Senior-Brater:innen auf der mittleren Karrierestufe hoffen auf die Partnerschaft. Und die Partner als Gesellschafter hoffen auf Wachstum, um ihre Unternehmensanteile mit Gewinn weiterverkaufen und dadurch für ihren Lebensabend aussorgen zu können. Scheitern ist da nicht vorgesehen.
Hinzu kommt das Up-or-out-Karrieremodell: Wer nicht liefert, fliegt raus. Oder landet auf einer lukrativen Position beim Kunden. Bleibt also interessant. Oder wechselt irgendwann wieder zurück. Und bringt wertvolles Know-how und Kontakte mit.
Ich will so bleiben wie ich bin
Es gibt also keinen Grund, die berühmte „Flinte ins Korn“ zu schmeißen. Im Gegenteil. Deelmann: „Die Beratungen werden, so die Prognose, Lösungen auf Basis generativer KI nicht nur in Form von Projekten an Kunden verkaufen, sondern auch intern einsetzen – aber dabei sorgsam darauf achten, dass die Pyramide nicht zerstört wird.“ Aber wie bekommt man diese Kurve? „Wenn die KI Anteile der bisherigen Aufgaben der Juniorberater ersetzt, dann werden für diese neue Tätigkeiten generiert und die bisherigen Projektumfänge nonchalant um diese Zusatzaufgaben ergänzt. Für die Kunden werden dann Leistungen erbracht, von denen sie bis dahin nicht wussten, dass sie sie benötigen.“
Ist das nicht genial – und witzig? Die Soziologie lehrt schon seit langem, dass die Hauptaufgabe von Organisationen darin besteht, dass eigene Weiterleben sicherzustellen. Autor Deelmann hat folglich keinen Zweifel, dass die Show weitergehen wird. Ganz im Sinne Udo Lindenbergs: „Denn unsere Show will jeder sehn, und deshalb muss sie weitergehen“ (Honky Tonky Show).
Und die Kunden? Werden die das einfach so mitmachen? „Würde die breite Masse der Kunden die Zusammenarbeit mit Beratern und Beraterinnen professionalisieren …“. Aber dann tritt automatisch Aspekt Nr. 3 (s.o.) in Kraft: Man braucht die Beratung nicht selten als „Sündenbock“ … – Merke: Von irgendetwas muss man ja leben, und sei es von Schmerzensgeld …