9. März 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Bitcoin – mehr als eine Krypto-Währung

REZENSION: Alex Gladstein – Das Trojanische Pferd der Freiheit. Bitcoin als Chance im Kampf um Selbstbestimmung und Menschenrechte. ‎Aprycot Media 2023.

Bislang konnte der Rezensent zum Thema „Bitcoin“ keine substanzielle eigene Meinung in Anspruch nehmen (mal abgesehen von einem wirtschaftlich vermutlich gänzlich gescheiterten Ausflug in eine andere Krypto-Währung). Aber ein ausgewiesener Kenner der Materie hatte ihm als Einstiegs-Lektüre in dieses Themenfeld das hier vorgestellte Buch ans Herz gelegt. Damit wollte er dem Unwissenden die erste Einsicht ermöglichen, dass es sich bei dieser Digitalwährung um viel mehr handelt als um eine reine Alternative zum Geld-Anlegen und elektronischen Bezahlen.


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Vielmehr geht es, wie schon der Untertitel des Buches andeutet, um eine „Chance im Kampf um Selbstbestimmung und Menschenrechte“. Also ein erheblich ambitionierterer Anspruch globalen Ausmaßes. Und ein Stück der abschließenden Bewertung vorwegnehmend, dieser fast schon fundamentalen Metaperspektive wird das Buch durchaus gerecht.

Eine Chance

Wichtig ist dabei auch vorab zu erwähnen, dass der Autor, Alex Gladstein, (vermutlich selbst US-Amerikaner) mittlerweile Vizepräsident und „Chief Strategy Officer“ der NGO „Human Rights Foundation“ im Rahmen des „Oslo Freedom Forum“ ist. Als Dozent, Sprecher und Autor hat er – laut Klappentext – bereits „Hunderte von Dissidenten und Bürgerrechtsorganisationen mit Wirtschaftsführern, Technologen, Journalisten, Philanthropen, politischen Entscheidungsträgern und Künstlern zusammengebracht, um freie und offene Gesellschaften zu fördern“. Auf den Rezensenten wirkt er persönlich sehr sympathisch. Aber auch auf unbestreitbare Weise meinungsstark, wie es seiner Rolle als „Influencer“ oder gar „Aktivist“ durchaus entspricht.

Dies wiederum bringt dann aber auch mit sich, dass – bei allen Anstrengungen in Hinsicht auf eine ausgewogene Darstellung – die im Buch geschilderten Inhalte sicherlich politisch eher in einem humanistisch-linken Spektrum verortet werden dürften. Gleichzeitig können Gladstein und andere Bitcoin-Anhänger nicht vorschnell als „Kapitalismus-Gegner“ angesehen werden. Denn auch sie vertrauen auf Grundprinzipien des Marktes und eine Verbesserung der Lebensumstände durch Wachstum und (gesteuerte) Finanzströme.

Zu Beginn des Buches lädt der Autor seine Leserschaft dazu ein, zunächst einmal zu reflektieren, mit welchen finanziellen Privilegien die meisten Lesenden vermutlich aufgewachsen sein werden. Weil sie stets von einer Währung wie dem US-Dollar, dem Euro, dem Yen oder dem britischen Pfund umgeben waren. Die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung aber lebt unter ganz anderen Bedingungen. Sowohl politisch-gesellschaftlich als auch in Bezug auf ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ihr lokales Währungssystem. Und der Autor kündigt direkt zu Beginn an, dass Bitcoin geeignet und gezielt dazu angetreten ist, solche ungleichen Wettbewerbsvorteile auszuhebeln.

Die Welt aus verschiedenen Perspektiven betrachtet

Dabei weist er seinerseits direkt auf Finanzinvestoren wie Warren Buffett und seinen mindestens ebenso liebenswert-schrulligen Compagnon Charlie Munger hin. Die Bitcoin als „ekelhaft und gegen die Interessen der Zivilisation“, gar als „Rattengift“ bezeichnet hatten. Vergleichbar mit anderen Kritikern wie Bill Gates oder der EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Von solchen Seiten wurde maßgeblich das Narrativ verbreitet, dass „Bitcoin riskant, gefährlich, schlecht für die Menschen und schlecht für den Planeten sei“. Auch wegen des Stromverbrauches für das Mining des Bitcoins in Rechenzentren.

Doch Gladstein resümiert direkt, dass solche Kritik durchweg nur von Seiten erfolgreicher „Westler“ vorgebracht würde, die um sich herum kaum „mit Konflikten, Gewalt, Schwarzmärkten, unerbittlicher Inflation und zügelloser Korruption“ konfrontiert seien. Solche Bedingungen gälten aber nur für ca. 13 Prozent der Bevölkerung unseres Planeten, die außerhalb von Autokratien in vertrauenswürdige Währungssysteme hineingeboren würden. Die weit überwiegende Mehrheit der Menschheit fände [ganz] andere Umstände vor.

ABER: Immer mehr Menschen hätten global Zugang zum Internet, meist über ihre Smartphones. Und in der Folge beschreibt der Autor wortreich und ausführlich diverse lokale Beispiele aus Nigeria, Äthiopien oder Kuba, in denen Einzelpersonen, ganze Personengruppen und insbesondere Frauen von einer Währung oder Geldanlagemöglichkeit ohne Einflussnahme des Staates profitieren und sich somit ihre finanzielle Privatsphäre bewahren oder aufbauen können. Durch technisch mittlerweile auch für Nicht-„Techies“ benutzerfreundlich handhabbare digitale „Wallets“ lassen sich nämlich gebührenarme Transaktionen vornehmen anstelle horrender Gebühren bei Western Union und ähnlicher Plattformen, mit denen Immigranten ihre überschüssigen Einnahmen an die Familienmitglieder in ihren Heimatländern zurückführen.

Volkswirtschaftliche Zusammenhänge

Außerdem schildert der Autor sehr anschaulich wesentliche – hier sehr stark verkürzte – volkswirtschaftliche Zusammenhänge wie die ursprüngliche Goldbindung des US-Dollars entlang des sogenannten „Bretton-Woods“-Abkommens. Diese wurde maßgeblich unter dem Eindruck der enormen Vietnam-Kriegskosten der USA aufgegeben und die Welt mit frisch gedrucktem Dollar-Papiergeld geflutet. Und durch solche, in US-Dollar bezahlten Waren finanzierten andere Staaten durch ihre Exporte die amerikanische Kriegsführung unfreiwillig mit. In diesem Zusammenhang kommen im Text auch kernige Bonmots zur Sprache wie: „Wenn du der Bank 5.000 US-Dollars schuldest, ist das dein Problem. Wenn du 5 Millionen US-Dollar schuldest, ist es das Problem der Bank.“ Oder entlang eines US-amerikanischen Finanzministers: „Der Dollar mag unsere Währung sein, aber jetzt ist er euer Problem!“.

Von ausschlaggebender Bedeutung wurde diese Frage rund um den sogenannten „Ölpreisschock“ der frühen 70er Jahre, als sich das zunächst überwiegend arabisch dominierte OPEC-Kartell formiert hatte. Die USA konnten seinerzeit durchsetzen, dass auf dem Weltmarkt unverzichtbare Rohstoffe wie Erdöl ausschließlich in Dollar bezahlt wurden. Und dies bedingt durch künstlich erhöhte Geldmenge und die damit verbundene künstliche Dollar-Abwertung zu vergünstigten Konditionen. Auch die viel späteren Irak-Kriege der Vater&Sohn-Bush-Präsidenten lassen sich in diesen Zusammenhang bringen, dass Saddam Hussein als potenter Ölproduzent aus dem Dollar-Imperium ausbrechen wollte, und in der Folge gewaltsam aus dem Weg geräumt wurde.

Solche Analysen münden in – leider sehr glaubwürdige – Passagen wie: „Die Geschichte der Vereinigten Staaten ist in vielerlei Hinsicht beschämend: Wir haben Afroamerikaner versklavt; eine völkermörderische Eroberung der amerikanischen Ureinwohner betrieben; japanische Amerikaner in Gefangenenlagern interniert; sind in Vietnam und Irak einmarschiert und haben die ‚ewigen Kriege‘ begonnen; Putsche gegen demokratisch gewählte Führer unterstützt.“ Und faktisch haben die USA damit den freiheitlich-großzügigen Gründergeist verloren, der noch heute in der Freiheitsstatue in Bronze gegossen nachzulesen ist.

Bitcoin als ernsthafte Alternative

Vor diesem Hintergrund wird dann der Bitcoin als ernsthafte Alternative diskutiert, um der monetären Hegemonie der USA eine internationale, also länderübergreifende Währung, eine Alternative entgegenzustellen, die sich staatlicher Kontrolle und Einflussnahme entzieht. Und dadurch ganz offensichtlich „zum Wohle der ganzen Menschheit“ angewendet werden kann.

Dabei sollte Bitcoin aber nicht vorschnell als das „neue Gold“ verstanden werden, das nebenbei jahrhundertelang von Kolonialmächten auf der ganzen Welt zusammengerafft und angehäuft worden war. Im Gegensatz zum Bitcoin eignet es sich aber nicht [mehr] für den alltäglichen Zahlungsverkehr und lässt sich auch nur mit großem Aufwand sichern, ohne dabei Zinsen abzuwerfen. Insofern spricht schon auch für bekennende Nicht-Kenner der Materie einiges dafür, sich Bitcoin als eine neue Reservewährung vorzustellen.

Leider rutscht danach die Darstellung zunehmend in den Konjunktiv ab. Mit Fragen, ob das Beispiel des ölfinanzierten norwegischen Staatsfonds nicht verwendet werden könnte, um die Wind- und Solarressourcen von Ländern wie Sudan oder Äthiopien mit Bitcoin-Mining zu finanzieren. Auch andere im Text enthaltene „gute Ideen“ erscheinen durchaus stimmig, sind aber auch unterschiedlich weit von einer [flächendeckenden] Umsetzung entfernt.

Einige Fragezeichen bleiben

Am Ende der gut verständlichen und dabei auch wirklich anregenden Lektüre hat der Rezensent eine Menge dazugelernt und insbesondere den Bitcoin aus einer ganz anderen Perspektive kennengelernt als ursprünglich erwartet. Wer sich auf einen ähnlichen Weg machen möchte, dem seien diese knapp 300 Seiten Text als klare Empfehlung ans Herz gelegt. Allerdings verbleiben nach der Lektüre auch noch einige Fragezeichen wie:

  • Wie funktioniert die Blockchain-Technologie aus technischer Perspektive und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für ihre Nutzung? Worauf basiert die „Deckelung“ der maximalen Bitcoin-Menge?
  • Wie sicher ist die Technologie? Oder wie wirksam geschützt ist sie vor Eingriffen des Staates oder dunkler Mächte, die sich des darin enthaltenen Vermögens bemächtigen wollen?
  • Wie verhält es sich mit den – im Buch nur erwähnten, aber nicht vertieften – Umweltschäden des Bitcoins durch übermäßigen Energieverbrauch der Rechenzentren, insbesondere beim sogenannten „Schürfen/Mining“?
  • Wie können gerade Kleinstanleger in Entwicklungsländern vor den erheblichen Schwankungen der Bitcoin-Notierung geschützt werden?
  • Vor dem Hintergrund des sich immer weiter verschiebenden „Allzeithochs“ des Bitcoin-Wertes: Kann diese Währung auch heute noch Neueinsteigern als Kapitalanlage und Zahlungsmittel empfohlen werden, oder hat sich dieses „Opportunitätsfenster“ bereits geschlossen?
  • Welche Alternativen zum Bitcoin gibt es bereits und zeichnen sich für die Zukunft ab?

Aber diese Fragen schmälern keineswegs den Wert des hier vorgestellten Buches, sondern dienen einfach nur als Anregung, sich mit diesem Thema vertieft und aus verschiedenen Blickwinkeln zu beschäftigen.

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