2. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ehrliches Bemühen

INSPIRATION: Was macht ein Unternehmen, dessen Mitarbeiter schwer körperlich arbeiten müssen und diese Arbeit kaum bis zur Rente durchhalten? Das mit entsprechend hohem Krankenstand und hoher Fluktuation zu kämpfen hat? Ein Familienunternehmen, das Bahnschwellen und -gleise herstellt und verlegt, hat Antworten gefunden.

Zwar gibt es für viele Tätigkeiten beim Verlegen von Bahnschienen inzwischen Maschinen, aber ganz ohne Handarbeit geht es nach wie vor nicht. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter viele Kilometer zurücklegen und ständig auf Achse sind. Im Alter fällt das zunehmend schwerer, und bei einer internen Befragung stellte man bei Hering fest, dass es vor allem die Jüngeren waren, die glauben, dass sie das nicht bis zur Rente schaffen können (Schaffe ich das?).


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Offenbar war schon der Senior ein sehr sozial engagierter Mensch. Das Unternehmen, seit 128 Jahren im Familienbesitz, führte bereits 1971 eine Gewinnbeteiligung ein, die Tochter, die das Unternehmen jetzt führt, hat seine Haltung übernommen, ebenso viele der eingeführten und bewährten Maßnahmen, etwa ein jährliches Treffen der Ehemaligen oder die Mitarbeitergespräche. Aber das Problem der hohen Belastung im Alter drängte. Die Maßnahmen, die man bei Hering ergriff, klingen jede einzelne nicht sonderlich ungewöhnlich:

  • Ein Fitnessstudio auf dem Firmengelände, die Hälfte der Nutzungsgebühren übernimmt der Arbeitgeber.
  • Arbeitszeitkonten, wobei man die angesparte Arbeitszeit nicht nur nutzen kann, um früher zu gehen, sondern auch, um mehr Wochen im Jahr frei zu nehmen.
  • Altersgemischte Arbeitskolonnen, so dass die Jüngeren die Älteren unterstützen können.
  • Die Kolonnen gehen jeweils mehrere Tage auf Montage, so dass ein Teil der Reisezeiten entfällt.
  • Die Firma erwarb eine Finca in Spanien, Mitarbeiter können für besonders harte Einsätze dort kostenlos Urlaub machen.

Wie gesagt, kein Hexenwerk. Aber die Details machen den Unterschied. Man ist bestrebt, „für jeden Mitarbieter eine Lösung zu finden“. Ein Mitarbeiter mit argen Knieproblemen z.B. vereinbarte, dass er an zwei Tagen eine Stunde früher gehen kann. Kann ein Mitarbeiter eine Arbeit definitiv nicht mehr übernehmen, sorgt man für interne Wechsel. Fehlt jemand für längere Zeit, wird er aktiv angesprochen und Hilfe angeboten. Mitarbeiter, die die Angebote zum Training nicht nutzen, werden vor Ort angesprochen und auf ganz einfache Übungen hingewiesen, die sie zwischendurch machen können, bis sie selbst merken, was schon wenige Minuten Training bewirken können.

Das Ziel ist, möglichst alle Mitarbeiter bis zum Rentenalter zu halten, und offensichtlich sind die Bemühungen erfolgreich. Der Krankenstand, der oft im zweistelligen Bereich lag, nähert sich den fünf Prozent. Die Fluktuation sank von acht auf etwas mehr als zwei Prozent. Und das Alter, in dem die Mitarbeiter für längere Zeit ausfallen, ist deutlich gestiegen.

Was kann man daraus ableiten oder gar lernen? Ich finde zwei Dinge bemerkenswert: Um individuelle Lösungen zu finden, braucht es eine Menge Vertrauen. Vertrauen, dass dieses ehrliche Bemühen nicht ausgenutzt wird. Vertrauen auch von Seiten der Mitarbeiter, dass der Arbeitgeber sich fair verhält. Offenbar funktioniert das bei Hering.

Ebenso interessant, aber sicher nicht neu: Es ist nicht damit getan, „Systeme“ aufzusetzen und dann zu erwarten, dass diese Wirkung zeigen. Ehrliches Bemühen reicht auch nicht, sondern es braucht stetiges Bemühen. Immer wieder ansprechen, nachhaken, nachfragen, erinnern, aufmerksam machen. Das dürfte auch die Basis für das oben angesprochene Vertrauen sein: Erst wenn alle merken, dass man es Ernst meint, beharrlich bleibt und sich wirklich für das Wohlbefinden anderer interessiert, werden Mitarbeiter die angebotenen Möglichkeiten nutzen, ohne sie auszunutzen.

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