INSPIRATION: Während das mit der geteilten Führung oft eher vage bleibt, meinen es die Verantwortlichen bei Pro Sieben Sat.1 offenbar ernster. Ein Projektteam machte sich die Mühe, einmal zu schauen, welche Aufgaben eine Führungskraft tatsächlich übernimmt, und hat diese zu fünf Rollen geclustert.
Das Ergebnis: Der Speaker vertritt das Team nach außen, der Navigator kümmert sich um die Strategie, die Definition der Ziele und Kapazitäten, der Team-Developer um die Zusammenarbeit, der fachliche Lead um die inhaltlichen Themen und die Entwicklung der notwendigen Kompetenzen und der Bureaucratic Adminstrator um Budget, Organisation – und ist die disziplinarische Führungskraft. Über die letzte Rolle musste ich schmunzeln – die Bezeichnung „Administrator“ für die „eigentliche“ Führungsrolle hat was … Mich persönlich spricht der Ansatz sehr an, geht in die Richtung dessen, was ich in „Das Ende der Führung“ beschrieben habe.
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Wer nun welche Rolle übernimmt, entscheidet die „alte“ Führungskraft. Sie kann sich überlegen, welche der Rollen sie behält und welche sie zur Wahl stellt. Wie diese dann vergeben werden, wird in den Teams entschieden. Das finde ich extrem clever. Während woanders die Führungsebenen gestrichen werden und die Führungskräfte sehen können, wo sie bleiben, können sie hier erst einmal alle ihre Aufgaben behalten. Werden sie vermutlich aber nicht, denn die Erwartungshaltung der Teams wird wohl sein, dass zumindest die eine oder andere Rolle abgegeben wird.
So scheint das in der Praxis auch funktioniert zu haben, zumindest wird hier (Wir probieren das aus) behauptet, dass sich die neue Führungsstruktur nicht nur als praxistauglich herausgestellt hat, „sondern auch eine intensivere Auseinandersetzung mit Führungsaufgaben“ gefördert hat.
Entscheidungsbaum
Aber es gibt noch zwei weitere interessante Veränderungen. Die eine besteht aus einem Entscheidungsbaum, den alle Teammitglieder nutzen (sollten?). Er beginnt mit der Frage „Darf ich die Entscheidung allein treffen? Wird dies bejaht, lautet die nächste Frage: „Bin ich in der Lage, die Entscheidung zu treffen?“. Wird auch diese bejaht, kommt Frage Nr. 3: „Will ich die Entscheidung alleine treffen?“
Bei einem „Nein“ geht es weiter mit „Darf (bzw. kann oder will) ich die Entscheidung mit anderen gemeinsam treffen?“. Kommt hier wieder ein „Nein“, wird die Entscheidung weiter gereicht. Das allein reicht natürlich noch nicht, denn wenn Entscheidungen gemeinsam mit anderen getroffen werden, bleibt zu klären, wie das geschieht. Hier hat man sich auf das „Konsent-Verfahren“ geeinigt. Da würde man gerne mal reinschnuppern, um zu schauen, wie die Teams damit klarkommen. Vor allem scheint hier eine Einschränkung zu gelten: Die Entscheidung sollte revidierbar sein. Gilt die Delegation an die Mitarbeitenden also nur, wenn eine Entscheidung auch wieder rückgängig gemacht werden kann?
Leadership-Coalition
Und schließlich ist von einer „Leadership-Coalition“ die Rede. Offensichtlich hat man die klassischen Bereiche irgendwie aufgelöst, stattdessen teilen sich die Führungskräfte auf der Ebene den Job. In einer Dreier-Koalition arbeiten sie „auf Augenhöhe“ zusammen. Wie, das wird leider nicht näher beschrieben. Kommt uns aber bekannt vor, erst kürzlich gelesen: Führungsteams einführen.
Experimente gewünscht
All das bis hier beschriebene wurde nicht von oben einfach so eingeführt, sondern als Experimente deklariert. Die Idee ist, eine Kultur des Experimentierens zu schaffen, offenbar auf jeder Ebene. Jedes Team kann also ein Experiment starten. „um neue Arbeitsweisen oder Strukturen zu testen“. Was wo gerade probiert wird, wird in einer Übersicht festgehalten, um den Überblick zu behalten.
Das klingt einerseits hoch spannend und mutig. Andererseits schimmern etliche Einschränkungen und Spielregeln durch, die erahnen lassen, dass man sich doch ziemlich absichern möchte. Drücken wir die Daumen, dass die Erfahrungen positiv genug sind, um all das nicht schnell wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen.