KRITIK: Das klingt interessant: Mitarbeiter drehen Videos über ihre Tätigkeit, über die Bedienung von Maschinen z.B. oder bestimmte Fertigungsprozesse, und stellen sie auf einer Plattform allen Kollegen zur Verfügung. Ein Konzern hat daraus ein Weiterbildungsprodukt gemacht.
Der Konzern heißt Bilfinger, die Tochter heißt vielversprechend Bilfinger Digital Next. Und das Produkt, um das es hier geht, ist eine Video-Plattform namens Industrial Tube, die Videos von Praktikern für Praktiker anbietet. Man hat eine App entwickelt, die ein Drehbuch vorgibt und die Erstellung des Videos anleitet. Es geht los mit der Zielsetzung des Videos, es folgen Hinweise über die notwendigen Werkzeuge und Sicherheitsmaßnahmen. Und dann werden die eigentlichen Arbeitsschritte vorgeführt.
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Der Mitarbeiter kann das Video nicht sofort hochladen, zuerst muss es der Vorgesetzte prüfen und freigeben. Das Ganze sei so einfach, dass keine videospezifischen Fähigkeiten notwendig sind. Das kann man sich sogar gut vorstellen angesichts der unglaublichen Möglichkeiten, die moderne Smartphones bieten.
Der Mitarbeiter als Video-Produzent
So wird jeder Mitarbeiter zum Video-Produzenten. Man braucht keine Arbeitsanweisungen mehr, keine umfangreichen Handbücher – Wissen lässt sich viel besser per Film vermitteln. Wenn Mitarbeiter dabei mitspielen. Warum sollten sie solche Videos drehen und dafür Zeit aufwenden? Der eine oder andere wird gar nicht auf die Idee kommen, dass sein Wissen für andere interessant ist.
Im Interview erklärt der zuständige Produktmanager (Wissens-Aufnahme), dass man Kommunikationsmaßnahmen durchführt und Gewinnspiele veranstaltet. Außerdem schult man Key User und „Werkscreator“ – das sind Mitarbeiter, die ihre Kollegen auffordern, die Videos zu produzieren und zu nutzen. Wie viele solcher Videos bei Bilfinger schon im Einsatz sind, erfährt man in dem Beitrag nicht. Mir ist es auch nicht gelungen, Beispiel-Videos im Internet zu finden. Allerdings gilt das Produkt als neuer Umsatzbringer, man will es anderen Unternehmen zur Verfügung stellen oder verkaufen, um so die fachliche Weiterbildung voranzutreiben.
Ob das ein Renner wird?
Ich glaube schon, dass Menschen gerne über das berichten, was sie tun, wenn sie denn einen gewissen Stolz empfinden über das, was sie leisten. Und wenn sie dann Rückmeldungen von Kollegen erhalten, denen sie mit ihren Videos tatsächlich geholfen haben, dann könnte das als Motivation schon völlig reichen, da braucht es vermutlich keine Gewinnspiele. Wie gesagt – wenn sie ihre Arbeit mit einem Mindestmaß an Begeisterung verrichten.
Andererseits bedarf es sicherlich anderer Kompetenzen, eine Tätigkeit zu dokumentieren, egal wie leicht bedienbar eine App ist. So wie längst nicht aus jedem Schauspieler auch ein guter Regisseur wird, so wird vermutlich auch nicht aus jedem guten Handwerker oder Maschinenführer ein Filmemacher. Am Ende kommt es darauf an, wie umfangreich und aktuell das Material ist, sonst wird die Plattform schnell „veröden“. Das zu verhindern, stelle ich mir alles andere als leicht vor – und bin ingesamt eher skeptisch.